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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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das Klicken des Abzugs an dem Punkt, wo es kein Zurück mehr gibt, der Knall des Schusses, der Rückstoß der Waffe, durch den meine Hand zurückschnellt, als wollte sie sich selbst aufhalten, zu spät.
    Sein Blut war warm, als es auf meine Bluse spritzte.
    O Gott. Ich habe einen Menschen getötet. Ich habe es aus guten Gründen getan. Ich habe es für Nathaniel getan. Aber ich habe es getan.
    Mein Körper beginnt unkontrolliert zu zittern, und diesmal ist es nicht gespielt. Es ist eine Sache, für die Leute, die man in den Zeugenstand rufen wird, damit sie gegen mich aussagen, die Verrückte zu mimen. Es ist etwas völlig anderes, wirklich zu begreifen, wozu ich schon immer fähig war. Pater Szyszynski wird am Sonntag nicht die heilige Messe lesen. Er wird nicht seine abendliche Tasse Tee trinken oder ein Nachtgebet sprechen. Ich habe einen Priester getötet, der nicht mal die letzte Ölung bekommen hat; und ich werde genau wie er in der Hölle landen.
    Ich ziehe die Knie hoch, presse das Kinn auf die Brust. Im überheizten Bauch dieses Gefängnisses ist mir eiskalt.
    Â»Alles in Ordnung mit dir, Freundin?«
    Die Stimme kommt von der anderen Seite des Flurs, aus der zweiten Einzelzelle. Irgendwer hat mich von dort aus beobachtet, aus der Dunkelheit heraus. Ich spüre, wie mein Gesicht anfängt zu brennen, und als ich aufschaue, sehe ich eine große schwarze Frau, die ihre Jacke über dem Bauchnabel zusammengeknotet hat. Ihre Zehennägel sind orangefarben lackiert, passend zur Gefängniskluft.
    Â»Ich heiße Adrienne, und ich kann richtig gut zuhören. Ich hab nicht oft Gelegenheit, mit jemandem zu reden.«
    Meint sie wirklich, daß ich darauf reinfalle? Hier drinnen gibt es genauso viele Polizeispitzel wie Leute, die ihre Unschuld beteuern, und ich weiß, wovon ich rede – ich habe schon mit beiden Sorten zu tun gehabt. Ich öffne den Mund, um ihr das zu sagen, aber ein zweiter Blick verrät mir, daß ich mich geirrt habe. Die großen Füße, der Waschbrettbauch, die dicken Adern auf dem Handrücken – Adrienne ist eigentlich gar keine Frau.
    Â»Dein Geheimnis«, sagt der Transvestit, »ist bei mir gut aufgehoben.«
    Ich starre ihre – seine – beachtliche Brust an. »Und wo bleibt das obligatorische Taschentuch?« frage ich ausdruckslos.
    Einen kurzen Moment lang tritt Stille ein. »Es geht auch ohne«, entgegnet Adrienne.
    Ich wende mich ab. »Kann sein, ich will trotzdem nicht mit dir reden.«
    Plötzlich ertönt die Ankündigung, daß das Licht nun gelöscht wird. Aber im Gefängnis wird es nie ganz dunkel. Es herrscht ewige Dämmerung. Im Schatten kann ich Adriennes glatte Haut sehen, ein hellerer Farbton im Halbdunkel, zwischen den Gitterstäben ihrer Zelle. »Was hast du angestellt?« fragt Adrienne.
    Â»Was hast du denn angestellt?«
    Â»Drogen, meine Liebe, es sind immer die Drogen. Aber ich versuche, davon loszukommen, ehrlich.«
    Â»Eine Verurteilung wegen Drogen? Wieso hat man dich dann in Einzelhaft gesteckt?«
    Adrienne zuckt die Achseln. »Tja, zu den Jungs gehöre ich nicht mehr. Die würden mich sowieso bloß zusammenschlagen. Ich wäre ja gern bei den Mädchen, aber ich darf nicht, weil ich noch nicht operiert worden bin. Ich nehme regelmäßig meine Medikamente, aber die sagen, das spielt keine Rolle, solange ich unten rum noch falsch gepolt bin.« Sie seufzt. »Die wissen einfach nicht, was sie hier mit mir machen sollen.«
    Ich starre die dicken Mauern an, das schwache Sicherheitslicht an der Decke, meine eigenen todbringenden Hände. »Die wissen auch nicht, was sie mit mir machen sollen«, sage ich.
    Die Generalstaatsanwaltschaft hat Quentin in einem Apartmenthotel untergebracht. Das Zimmer hat eine kleine Einbauküche, Kabelfernsehen und einen Teppichboden, der nach Katze riecht. »Danke«, sagt er trocken und reicht dem Teenager, der als Hotelpage jobbt, einen Dollar. »Ein wahrer Palast.«
    Â»Wie Sie meinen«, erwidert der Bursche.
    Es erstaunt Quentin immer wieder, daß Halbwüchsige die einzige Bevölkerungsgruppe sind, die bei seinem Anblick nicht mit der Wimper zuckt.
    Quentin öffnet den muffigen Kühlschrank und sinkt dann auf die weiche Matratze. Tja, es könnte das »Ritz-Carlton« sein, er würde es trotzdem hassen. Es liegt an Biddeford, der Ort macht ihm zu schaffen.
    Mit einem

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