Die Macht des Zweifels
»Wer hat zuerst etwas gesagt, Mr. Eberhardt?« fragt Fisher.
»Nathaniel.«
»Was hat er gesagt?«
Peter blickt auf das Geländer vor sich. Auch er weià inzwischen, daà Nathaniel wieder verstummt ist. »Meinen Namen.«
»Wenn Sie Nina nicht in Schwierigkeiten bringen wollten, wieso haben Sie sich nicht einfach umgedreht und sind gegangen?«
»Weil Nathaniel mich gerufen hat. Und nach ⦠nach dem MiÃbrauch hat er eine ganze Weile nicht gesprochen. Es war das erste Mal seitdem, daà ich ihn wieder habe sprechen hören. Da konnte ich nicht einfach auf dem Absatz kehrtmachen und ihn ignorieren.«
»Und genau in dem Moment kam Mr. Brown um die Ecke und hat Sie gesehen?«
»Ja.«
Fisher verschränkt die Hände hinter dem Rücken. »Haben Sie je mit Nina über ihren Prozeà gesprochen?«
»Nein.«
»Haben Sie ihr irgendwelche vertraulichen Informationen zukommen lassen?«
»Nein.«
»Hat sie Sie darum gebeten?«
»Nein.«
»Arbeiten Sie überhaupt an Ninas Fall?«
Peter schüttelt den Kopf. »Ich bin ihr Freund. Aber ich kenne meine Pflichten als Mitarbeiter dieses Gerichts. Und ich werde mich unter keinen Umständen in diesen Fall einmischen.«
»Danke, Mr. Eberhardt.«
Fisher nimmt gerade wieder neben mir Platz, als Quentin Brown zu dem Richter hochsieht. »Euer Ehren, die Staatsanwaltschaft hat keine weiteren Fragen.«
Wenn ich das doch auch von mir behaupten könnte , denke ich.
Calebs Blick wandert unwillkürlich zu ihr hinüber, und er erschrickt. Seine Frau, die immer frisch und gepflegt aussieht, sitzt da in einer grellorangefarbenen Arbeitshose. Ihr Haar steht wirr um ihren Kopf, sie hat tiefe Ringe unter den Augen. Auf dem Rücken einer Hand hat sie eine Schnittwunde, und ein Schnürsenkel hat sich gelöst. Caleb hat den absurden Impuls, vor ihr in die Knie zu gehen, den Schnürsenkel doppelt zu verknoten und sein Gesicht in ihrem Schoà zu vergraben.
Man kann jemanden hassen, so wird ihm klar, und doch verrückt nach ihm sein.
Fisher fängt seinen Blick auf, erinnert Caleb an seine Aufgabe. Wenn er das hier vermasselt, darf Nina vielleicht nicht nach Hause. Doch Fisher hat ihm auch gesagt, daà sie, auch wenn er sich im Zeugenstand keinen Fehler leistet, vielleicht trotzdem für die Dauer des Verfahrens in Haft bleiben muÃ. Er räuspert sich.
»Wann hat Nathaniel wieder zu sprechen begonnen, nachdem Sie den MiÃbrauch festgestellt hatten?«
»Vor etwa drei Wochen. An dem Abend, als Detective Ducharme zu uns nach Hause kam, um mit ihm zu reden.«
»Hatte sich seine Sprechfähigkeit seitdem verbessert?«
»Ja«, antwortet Caleb. »Er hat fast wieder normal gesprochen.«
»Wieviel Zeit hat seine Mutter in dieser Phase mit ihm verbracht?«
»Mehr als üblich.«
»Welchen Eindruck machte Nathaniel auf Sie?«
Caleb überlegt einen Moment. »Zufriedener«, sagt er.
Fisher stellt sich hinter Nina. »Was hat sich seit dem Vorfall im Supermarkt geändert?«
»Er war hysterisch. Er hat so heftig geweint, daà er nicht mehr richtig Luft bekam, und er hat kein Wort mehr gesagt.« Caleb sieht Nina in die Augen, macht ihr den nächsten Satz zum Geschenk. »Er hat immerzu das Zeichen für Mommy gemacht.«
Sie stöÃt einen schwachen Laut aus, wie ein Kätzchen. Das macht ihn sprachlos. Er muà Fisher bitten, die nächste Frage zu wiederholen. »Hat er in der letzten Woche irgend etwas gesagt?«
»Nein«, erwidert Caleb.
»Haben Sie mit Nathaniel seine Mutter besucht?«
»Einmal. Es war sehr ⦠schwer für ihn.«
»Inwiefern?«
»Er wollte nicht wieder fort von ihr«, gibt Caleb zu. »Ich muÃte ihn regelrecht wegzerren, als die Zeit um war.«
»Wie schläft Ihr Sohn nachts?«
»Gar nicht, wenn ich ihn nicht zu mir ins Bett hole.«
Fisher nickt ernst. »Mr. Frost, glauben Sie, daà er seine Mutter wieder bei sich braucht?«
Quentin Brown springt sofort auf. »Einspruch!«
»Wir sind hier in einer Kautionsanhörung, ich lasse die Frage zu«, antwortet der Richter. »Mr. Frost?«
Caleb sieht Antworten vor sich schwimmen. So viele, aber welche davon ist die richtige? Er öffnet den Mund, dann schlieÃt er ihn, um neu anzusetzen.
In diesem Augenblick bemerkt er Nina. Ihre Augen starren ihn fiebrig
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