Die Macht
ihrem eigenen Begräbnis sei.
Als die Gruppe schließlich zu dem Saal kam, in dem die Anhörung stattfinden sollte, trat Kennedy allein ein und ging den Mittelgang hinunter. Die Senatoren waren bereits vollzählig anwesend und blickten von ihren erhöhten Plätzen auf sie herab. Als sie sich an ihrem schmucklosen Tisch niederließ, fühlte sie sich innerlich völlig ruhig – obwohl rings um sie ein Blitzlichtgewitter losging. Ihre Stärke kam von dem Wissen, das sie in ihren Jahren beim Geheimdienst gesammelt hatte. Es kam ganz darauf an, den Feind das eine glauben zu lassen und selbst das andere zu tun. Dieser Schachzug war das Einzige, was ihr noch helfen konnte.
Oben auf der Galerie starrten Dutzende von Kameraobjektiven auf sie hinunter. Der Saal war zum Bersten voll; das Ereignis wurde im ganzen Land live übertragen. Die Senatoren auf dem Podium starrten sie an, als wäre sie eine Massenmörderin. Heute war Irene Kennedy wie ein verwundetes Tier, über dem die Geier kreisten, während ringsum die Hyänen schon auf ihre Chance lauerten. Alle Augen im Saal waren auf die kleine, zerbrechlich wirkende Irene Kennedy gerichtet. Heute bot sich so manchem der Anwesenden die Chance, vor einem riesigen Fernsehpublikum in Erscheinung zu treten. Um die eigene Karriere voranzubringen, würde man es in Kauf nehmen, die Laufbahn einer Staatsdienerin zu zerstören, die fünfzehn Jahre lang unermüdlich gegen den internationalen Terrorismus gekämpft hatte.
Senator Clark schlug mit seinem Hammer auf den Tisch. Er war braun gebrannt und sah gut aus in seinem dunklen Anzug mit der weinroten Krawatte. Die Anwesenden nahmen von seinem Gebot zu schweigen wenig Notiz, sodass er den Hammer noch einmal, und diesmal mit etwas mehr Nachdruck, einsetzte. Und tatsächlich wurde das Stimmengewirr leiser und erstarb schließlich ganz. Clark blickte zu Kennedy hinunter und erinnerte sich kurz an sein Gespräch vom Vorabend mit dem Präsidenten. Hayes hatte aller Wahrscheinlichkeit nach geblufft, doch es bestand immerhin die Möglichkeit, dass er doch noch etwas in der Hand hatte. Clark nahm sich jedenfalls vor, behutsam vorzugehen. Er fühlte sich wie der König beim Schachspiel, der die anderen Figuren vorpreschen ließ, um das Gefecht zu führen.
»Dr. Kennedy«, begann Clark mit tiefer, sonorer Stimme, »ich möchte Sie zuerst daran erinnern, dass Sie immer noch unter Eid aussagen.«
»Das ist mir bewusst, Mr. Chairman.« Clark wirkte im Vergleich zu ihr wie ein Riese, so verloren und allein saß sie an ihrem Tisch.
»Seit wir uns am Freitag unterhalten haben, ist einiges passiert«, fuhr Clark fort und blickte auf das Blatt Papier hinunter, das er vor sich liegen hatte. Es war eine einstudierte Pause, von der er dachte, dass sie im Fernsehen gut wirken würde. »Möchten Sie vielleicht zuerst zu den Anschuldigungen Stellung nehmen, die der Abgeordnete Rudin gegen Sie erhoben hat, bevor wir mit unseren Fragen beginnen?«
Irene Kennedy wollte etwas sagen, kam jedoch nicht dazu – denn einige Senatoren waren offenbar nicht gewillt, ihr zu gestatten, die Initiative zu ergreifen und vielleicht selbst in die Offensive zu gehen.
»Entschuldigen Sie, Mr. Chairman!«, rief Senator Jetland im Chor mit einigen seiner Kollegen. Er wiederholte seinen Einwurf viermal, bis die anderen endlich verstummten, und sagte dann, ohne auf eine Aufforderung des Vorsitzenden zu warten: »Ich finde, dass es der Sache eher dienlich ist, wenn wir Dr. Kennedy zuerst einige wichtige Fragen stellen können.« Der Senator aus New Mexiko blickte kurz zu Irene Kennedy hinunter und fügte hinzu: »Wir beginnen ohnehin mit drei Stunden Verspätung. Dr. Kennedy könnte ja am Ende der Sitzung eine Erklärung abgeben, wenn noch Zeit bleibt.«
Einige der Senatoren tendierten dazu, sich anzuhören, was Irene Kennedy zu sagen hatte; bevor jedoch einer von ihnen etwas auf Jetlands Forderung erwidern konnte, meldete sich unerwartet Irene Kennedy zu Wort. »Wenn Senator Jetland das angemessen findet, dann habe ich auch nichts dagegen«, warf sie ein. Sie kannte Jetland ganz gut; er war ein notorischer Angeber und für die CIA ein ziemlich unzuverlässiger Verbündeter. Er arbeitete hauptsächlich im Justizausschuss; mit Geheimdienstangelegenheiten beschäftigte er sich nur, wenn er sich davon Schlagzeilen versprach. Er war außerdem einer der schärfsten Kritiker von Präsident Hayes.
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, Dr. Kennedy«, sprach Senator Jetland in sein
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