Die Macht
sich mit einem lauten Stöhnen vom Bett. Dann zog er sich aus und ging ebenfalls ins Badezimmer.
Anna drehte sich vom Spiegel um, wo sie gerade ihr Make-up auffrischte, und starrte ihren splitternackten Freund ungläubig an. »Willst du es denn schon so sehr?«, fragte sie.
»Natürlich«, antwortete Rapp und gab ihr einen Klaps auf den Hintern, während er an ihr vorbei zur Dusche ging.
Nach dem Duschen kehrte Rapp ins Schlafzimmer zurück und zog frische Kleider an. Über den Koffer gebeugt stand er da und überlegte, wie er weiter vorgehen sollte. Es drängte ihn, seine Pistole zusammenzubauen und in der speziellen Innentasche seiner Lederjacke zu verstauen, damit er sie jederzeit bei sich hatte – doch er wusste, dass er sich damit Ärger eingehandelt hätte. Anna würde den Arm um ihn legen und nach der Waffe tasten, wie sie es immer tat. Das kam wohl daher, dass sie in einer Familie von Polizisten auf gewachsen war – und als Polizist in Chicago trug man immer eine Waffe mit sich, auch wenn man nicht im Dienst war.
Bei Anna war es immer am besten, die Dinge offen auszusprechen, doch nachdem zumindest die Möglichkeit bestand, dass das Zimmer verwanzt war, beschloss er, es ihr erst zu sagen, wenn sie draußen waren. Rapp nahm seinen Koffer und ging ins Wohnzimmer hinüber. Dort legte er ihn auf das Sofa, holte rasch den Föhn, die Dose mit dem Rasierschaum und das Radio heraus und zerlegte sie. Es dauerte keine zwei Minuten, bis er die Waffe und die verschiedenen Gegenstände wieder zusammengebaut hatte. Rapp steckte die Pistole in die Innentasche seiner Lederjacke, die über der Armlehne eines Stuhls hing.
Als Anna fertig war, gingen sie ins Restaurant hinunter, um eine Kleinigkeit zu essen. Es war die Zeit zwischen Frühstück und Mittagessen, sodass sie das Lokal ganz für sich allein hatten. Anna bestellte einen Teller Suppe und Mitch ein Roastbeef-Sandwich.
»Wann erledigst du denn die Sache, die du vorhast?«, fragte Anna schließlich.
»Das wollte ich schon vorhin im Zimmer, aber du wolltest ja nichts davon wissen«, antwortete er mit ernster Miene.
»Können wir ausnahmsweise mal von etwas anderem sprechen?«
»Wenn es sein muss.« Rapp griff nach einem Stangenbrot und biss ein Stück ab.
»Wann willst du dich mit dieser Person treffen?«
Rapp biss noch einmal von dem Brot ab. »Gleich heute Nachmittag«, antwortete er.
»Könnte es sein, dass sich dadurch unsere Pläne für heute Abend ändern?«
Rapp überlegte einen Augenblick. »Ich hoffe nicht«, sagte er schließlich.
Anna sah ihn enttäuscht an.
»Darling, du bist ungerecht«, rechtfertigte er sich. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich diese Sache erledigen muss. Unsere Reise wird sicher wunderbar, aber zuerst muss ich mich um diese Angelegenheit kümmern.« Er biss noch ein Stück von dem Brot ab und wartete auf ein Zeichen von ihr, dass sie ihm nicht böse war. Als sie schließlich lächelte, griff er nach ihrer Hand. »Ich habe außerdem so ein Gefühl, dass du heute Abend sowieso sehr früh ins Bett fallen wirst.«
Sie mussten nicht lange auf das Essen warten, das sie rasch verzehrten. Rapp bestellte noch einen großen Cappuccino und schlug Anna vor, das Gleiche zu tun. Er hatte es ohnehin nicht allzu eilig mit dem Stadtrundgang; solche Besichtigungstouren ermüdeten ihn mehr als eine Stunde Schwimmen. Sie tranken ihren Kaffee, bezahlten die Rechnung und spazierten in den strahlenden Sonnenschein hinaus. Es hatte wohl an die fünfzehn Grad – genau das richtige Wetter, um zu Fuß zu gehen. Anna war etwas eleganter gekleidet als Mitch. Es war der NBC-Korrespondentin für das Weiße Haus nicht verborgen geblieben, dass Mailand neben Paris die Modehauptstadt der Welt war. Anstatt direkt zum Dom zu gehen, führte Rapp Anna ein Stück Richtung Norden und bog dann nach rechts in die Via della Spiga ein. Als sie wenig später die Via Sant’Andrea erreichten, wurde die Besichtigung des Doms erst einmal verschoben. Das erste Modehaus, an dem sie vorbeikamen, war Hermès, ein paar Häuser weiter folgte Fendi. Rapp kannte diese Straße genau, und die Wirkung auf Anna war genau so, wie er es sich vorgestellt hatte. Es würde ein mehrstündiger Spießrutenlauf werden, der von Prada über Moschino, Chanel, Gianfranco Ferre bis zu Giorgio Armani führen würde. Der Aufenthalt bei Prada allein konnte schon Stunden dauern.
Anna betrachtete mit großen Augen das Schaufenster von Hermès. Rapp sah, dass sie unschlüssig war, was sie tun
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