Die Macht
wenn du in Amerika wärst.« In diesem Augenblick wusste Rapp, dass sie die Frau war, die er in der George Washington University gesehen hatte. Sie wandte den Blick für einen Sekundenbruchteil ab. Ja, sie hatte Peter Cameron getötet.
»Sind die für mich?«, fragte Donatella und nahm ihm die Blumen ab. Sie ging zu einem Schrank am Fenster hinüber, von wo man auf den Hof hinunterblickte. »Das ist wirklich nett von dir. Du hättest aber keine Blumen mitbringen müssen.« Sie entfernte das Papier, in das die Rosen eingewickelt waren, und wandte sich Rapp mit fragendem Blick zu. »Was ist denn das?«
Rapp blickte zuerst auf die Blumen und dann in Donatellas Gesicht. Er wusste nicht, was sie meinte.
»Die Rosen sind gelb«, sagte Donatella enttäuscht. »Gelbe Rosen schenkt man seiner Sekretärin, aber nicht der Frau, die einem etwas bedeutet.« Sie ließ die Blumen auf den Schrank fallen und verschränkte die Arme vor der Brust.
Rapp hatte einen Moment lang Schuldgefühle, bis er an Anna dachte. Er hatte schließlich vor, sie zu fragen, ob sie ihn heiraten würde – und da wäre es ganz und gar nicht passend gewesen, einer ehemaligen Geliebten rote Rosen zu schenken. »Es sind doch hübsche Blumen«, rechtfertigte er sich.
»Ja, aber sie sind nicht rot«, erwiderte Donatella argwöhnisch. »Es gibt eine andere, nicht wahr? Jemand, der dir etwas bedeutet?«
»Ja«, antwortete er mit einer Mischung aus Stolz und Angst. Donatella bedeutete ihm sehr viel, und er wollte ihr ganz bestimmt nicht wehtun.
Sie betrachtete ihren einstigen Geliebten einen Augenblick und spürte, dass ihm das sehr schwer fiel. Sie beschloss, ihre wahren Gefühle zu verbergen, und umarmte ihn erneut. In ihrem Innersten spürte sie jedoch, wie sie in tiefe Dunkelheit sank. Irgendwo hatte sie immer noch die verrückte Hoffnung gehegt, dass sie und Mitch eines Tages aussteigen würden, um zu heiraten und ein Kind zu haben. In ihrem tiefsten Inneren hatte sie zwar immer gewusst, dass das völlig unrealistisch war, doch sie hatte diese schöne Vorstellung nie ganz aufgegeben.
Sie küsste ihn auf die Wange und sagte: »Gratuliere. Lerne ich sie kennen?«
Die Frage traf Rapp unvorbereitet. »Ich weiß nicht …«, stammelte er, »vielleicht.«
»Ist sie hier in Mailand?«, fragte sie und sah ihn mit ihren durchdringenden braunen Augen an.
Rapp dachte kurz daran, es abzustreiten, entschied sich aber rasch dagegen. »Ja, sie ist auch hier.«
»Du willst nicht, dass ich sie kennen lerne.«
»Nein … das habe ich nicht gesagt. Es könnte nur ein bisschen … schwierig werden.«
»Weiß sie eigentlich, was du beruflich machst? Ich meine, was du wirklich machst?«
»Ja«, antwortete Rapp. »Sie weiß leider mehr, als sie wissen sollte.«
»Wo liegt dann das Problem? Ich würde sie gern kennen lernen.«
Das Treffen mit Donatella verlief nicht unbedingt so, wie er es sich vorgestellt hatte. »Wir waren ein Liebespaar, Donatella«, sagte er. »Ich habe auch nicht gerade den brennenden Wunsch, ihre Exfreunde kennen zu lernen.«
»Ja«, sagte sie nachdenklich, »wir waren ein Liebespaar.« Sie sah ihm in die Augen und fragte ihn geradeheraus: »Wie ist es im Bett mit ihr?«
Rapp runzelte die Stirn. »Donatella!«
»Ist es so gut, wie es bei uns war?«, beharrte sie mit dem ihr eigenen Temperament.
»Donatella, ich glaube nicht, dass wir solche Dinge diskutieren sollten.«
Sie sah ihn selbstbewusst an. »Es ist bestimmt nicht so gut.«
»Wir haben eine wunderbare Beziehung«, erwiderte Rapp.
»Ist sie Amerikanerin?«
»Ja, sie ist Amerikanerin.«
Donatella lachte spöttisch auf. »Dann kann es gar nicht so gut sein.«
Aus irgendeinem Grund verspürte Rapp das Bedürfnis, Anna zu verteidigen. »He, wir haben tollen Sex miteinander.«
»Besser als der Sex, den wir hatten?«, fragte sie ungläubig.
Rapp wusste, dass er diese Frage nicht beantworten konnte, ohne entweder Donatella zu verletzen oder Anna zu brüskieren. »Es ist anders, Donatella, okay?«
»Ha«, lachte sie voller Genugtuung auf. »Es ist nicht besser als mit uns – das sehe ich dir an den Augen an.« Sie ging zu ihrem Schreibtisch hinüber, riss eine Schublade auf und suchte nach einem Päckchen Zigaretten. »Ich würde sie gerne kennen lernen. Vielleicht können wir heute Abend zusammen essen gehen?« Sie fand schließlich das Päckchen und zündete sich eine Zigarette an.
Sie bot ihm ebenfalls eine Zigarette an, was Rapp ablehnte, obwohl es ihn durchaus ein wenig
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