Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
Vom Netzwerk:
Linken in Schulterhöhe umfasst hielt. Seine Bewegungen waren locker und raumgreifend.
    Die Fahrt verlief ruhig. Außer dem Platschen des Wassers beim Eintauchen des Ruderblatts und dem Wellenschlag an der steinernen Kanalbegrenzung waren kaum Geräusche zu hören. Hier und da tönten Gesprächsfetzen aus den Fenstern der umliegenden Häuser, vereinzelt klapperten Holzschuhe auf dem Pflaster der zum Kanal führenden Gassen, und wenige Male hallte das Gebell eines Hundes über das Wasser.
    Über den Dächern war der Himmel mattblau und wolkenlos. Die Luft war klar und kalt und auf ungewohnte Art frei von Gerüchen. Statt des fauligen Hauchs von Tang und Fisch, der sonst häufig die Lagune erfüllte, wehte ihnen nur hin und wieder der Geruch von brennendem Holz entgegen, begleitet von dünnen Rauchschwaden, die aus den unzähligen kegelförmigen Schornsteinen stiegen.
    »Hättet Ihr Euch auch ohne die Zeichnungen erbarmt?«, fragte Rufio. »Hat Euch nicht sein Mut beeindruckt, als er das Kind rettete?«
    Sanchia ließ sich durch seinen leichten Ton nicht täuschen. »Er war mutig, aber er kannte das Risiko. Daher ist er selbst für die Folgen verantwortlich.«
    »Ihr seid eine sehr kluge junge Frau. Handelt Ihr selbst auch danach? Ich meine, geht Ihr Risiken ein, obwohl Ihr um die Folgen wisst?«
    »Jeden Tag«, sagte Sanchia. »Und heute auch.«
    Der Schwarze quittierte diese Bemerkung mit hochgezogenen Brauen, sagte aber nichts mehr. Sie hatten einen breiteren Hauptkanal erreicht, von dem aus eine schmale Einmündung in den Rio führte, an dessen Ufer der Familiensitz der Caloprini lag.
    Schon der erste Blick auf den Palazzo traf Sanchia wie ein Schlag. Es war nicht der Anblick des Hauses, der sie verstörte, sondern die Fenster, die im Licht der Morgensonne ihr funkelndes Leuchten verbreiteten. Sie hatte ihrem Vater bei der Herstellung dieser Scheiben zugeschaut. Besonders an eine erinnerte sie sich noch ganz genau. An einem Morgen hatte er auf dem Boden der Werkstatt gekniet, vor sich eine Decke ausgebreitet und darauf eine Scheibe von so unvergleichlicher Schönheit gelegt, dass sie unwillkürlich den Atem angehalten hatte. Sie war rund und so golden getönt wie flüssiger Bernstein, umgeben von einem Strahlenkranz aus rotem Feuer.
    Piero hatte zu ihr aufgeschaut, Stolz und Freude im Blick. »Ist sie nicht wundervoll, Piccina ?«
    Das war sie wirklich. Die Scheibe war der Blickfang in der Mitte der Frontfassade. Die Eckquader aus istrischem Marmor rechts und links der mit Säulen bewehrten Loggia und die prachtvoll ausgestalteten Balkone mit den sitzenden steinernen Löwen schienen nur bedeutungsloses Beiwerk, kaum wichtig genug, um den Rahmen für das einzigartige Fenster zu bilden.
    Rufio war ihren Blicken gefolgt. »Es ist vollkommen, nicht wahr?«
    Sie machte sich nicht die Mühe, zu antworten. Sie nickte nicht einmal, denn hier war jede Erwiderung überflüssig. Die Hand hatte sie mit aller Macht um ihr Amulett gekrampft. Das Metall schnitt in ihre Haut, bis es wehtat. Es war ein schwerer Fehler gewesen, hierher mitzugehen.
    Sein Bein brannte wie Feuer und tat so weh, dass er am liebsten die Finger in die Wunde gekrallt hätte. Möglicherweise hatte er diesem Verlangen in einem weniger wachen Augenblick auch schon nachgegeben, denn die Verletzung hatte wieder angefangen zu bluten. Das ganze Laken war mit kleinen und großen Blutflecken übersät, und an der Stelle, wo es mit der Wunde in Berührung kam, hatte es sich förmlich vollgesogen. Auf seiner Zunge lag immer noch der Geschmack von dem widerlichen Zeug, das der Arzt ihm eingeflößt hatte. Wäre er nicht so schwach gewesen, hätte er es diesem Quacksalber ins Gesicht gespuckt. Die anschließende Wundbehandlung hatte er nur wie durch dichten Nebel miterlebt. In dem grünen Zeug musste etwas gewesen sein, das ihn daran hinderte, sich zu wehren, denn er hatte die Prozedur teilnahmslos über sich ergehen lassen, obwohl ihn das Brennen fast umgebracht hatte. Gegen Ende hatte er das Bewusstsein verloren und war erst wieder aufgewacht, als der Arzt ihm die nächste Ladung von dem unsäglichen Medikament verabreichte, inwendig und von außen. Von dem nachfolgenden Aderlass hatte er nur noch in Erinnerung, dass sein Blut in einem weiten Bogen aus dem Arm spritzte und die bereitgehaltene Schale verfehlte. Begleitet wurde diese Aktion von einem spitzen Aufschrei aus einer Ecke des Zimmers, wo vermutlich seine Mutter saß.
    Ein Würgen stieg aus seiner Mitte auf,

Weitere Kostenlose Bücher