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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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devoten Gesten neigte. Immerhin hatte Sanchia einmal gesehen, dass er sich beim Anblick eines von Eleonora gebackenen Krapfens bezeichnend über den Magen gerieben und dabei gelächelt hatte, was vermutlich in Anbetracht der besonderen Umstände tatsächlich als Höchstmaß an Begeisterung zu deuten war.
    »Wie soll das Fleisch zubereitet werden?«, wollte Eleonora wissen.
    »Mit getrockneten Pilzen gebraten. Und mit Weißwein und Sahne aufgekocht.«
    »Das ist so … gewöhnlich. Ich habe eine wunderbare Idee für dieses prachtvolle Stück.«
    »Nicht mit dieser Lende.«
    »Warum nicht? Ich sehe es schon vor mir. Ich spüre den Geschmack auf der Zunge. Hör mir zu, Deodata. Basilikum, Rosmarin und Thymian auf diesem Fleisch. Alle Kräuter ganz fein gehackt und mit etwas Öl darauf verstrichen. Dann wickeln wir die Lende in feinen Speck und braten sie in der Pfanne. Nicht zu lange, nur bis der Speck schön hineingezogen ist.«
    »Dann ist das Fleisch roh«, befand Deodata. Sie hatte auch das zweite Auge geöffnet und sich aufrecht hingesetzt, ein Zeichen dafür, dass sie sehr aufmerksam zuhörte.
    »Wir schieben es nach dem Anbraten in den heißen Ofen. Nicht zu lange, nur eine gute Viertelstunde. Das reicht sicher. Dann ist das Fleisch rosa und saftig, so zart, dass es auf der Zunge zergeht.«
    Deodata fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, und Sanchia war davon überzeugt, dass Eleonora schon gewonnen hatte. Sie würde dieses Stück Fleisch genauso zubereiten und hinterher ein ordentliches Stück davon essen.
    »Was gibt es zum Sattmachen?«, wollte die Köchin wissen. »Wenn keine Pilze und keine Sahne dabei sind, bleibt man hungrig.«
    Eleonora dachte blitzschnell nach und sagte: »Pilze sind eine gute Beilage. Aber gesondert, damit sie nicht den Geschmack des Fleisches überdecken. Mit Zwiebeln in dem Specksud angeröstet. Vielleicht noch Brotwürfel dazu, die in Safran gewendet wurden? Nein, kein Safran, kein Brot. Das ist zu viel. Von jeder Sache wenig, kein Durcheinander. Das Brot lieber frisch, vielleicht mit Kräuteröl bestrichen? Mhm, ich werde es probieren.« Entschlossen warf sie das Fleischstück zurück auf das Holzbrett und sammelte aus den Pflanzkisten, die in den Vorratsregalen standen, Kräuterzweige. Die Niedergeschlagenheit von vorhin war anscheinend vergessen. Mit aufgeräumtem Lächeln stibitzte sie ein Stück Marzipankonfekt aus einer irdenen Schale und biss ein Stück davon ab. Der Rest der Praline landete in Sanchias Hand und verschwand gleich anschließend in Herkules’ Maul.
    Deodata schloss ergeben die Augen und versank wieder in ihren Dämmerschlaf. Sie hatte Eleonoras Fantasie nichts entgegenzusetzen.
    Sanchia ließ sich auf einem Schemel nieder und schaute Eleonora eine Weile beim Kochen zu, doch in der Hitze, die vom Ofen ausstrahlte, wurde sie rasch müde. Sie verließ den Küchenanbau und ging nach draußen. Der Schnee, der heute früh nach dem Aufstehen noch den Klosterhof ganz und gar zugedeckt hatte, war bereits weitflächig weggetaut, und das Eis auf den Pfützen war inzwischen so dünn, dass es knisternd unter den Füßen wegbrach.
    Als Sanchia ihre Schritte zu dem großen Portal in der Mitte der Loggia lenkte, läutete es zur Non. Der Klang der Glocken von San Lorenzo wurde vom weiter entfernten Geläute der anderen Kirchen begleitet, in teils dumpfen, teils melodischen Kadenzen. Sanchia dachte, wie vertraut dieses Glockenläuten doch war. Es unterteilte den Tag in Venedig in immer wiederkehrende, zuverlässig bemessene Zeiteinheiten, die sich am Lauf der Sonne orientierten und das Leben der Menschen in dieser Stadt bestimmten. Die Glocken sagten ihnen, wann sie zu schlafen, zu essen und zu beten hatten.
    Mit einem Mal meinte sie, dass sie, sofern sie sich nur für einen Moment zur Seite wenden würde, aus den Augenwinkeln eine Gestalt in einer schwarz-weißen Mönchstracht vorbeihuschen sehen könnte.
    Doch sie drehte sich nicht um, denn dort war niemand.
    Nicht in Wirklichkeit jedenfalls. Aber die Erinnerung war wie alles, was aus der Vergangenheit mit langen Fingern nach ihr griff, so sichtbar wie die rötliche Sonne, die über der Kapelle stand.
    Sanchia legte den Kopf schräg und lauschte. Vom Dach des Refektoriums tönte das tröstliche Gurren der Tauben.
    Am nächsten Morgen wurde sie auf ihrem Weg zum Hospital aufgehalten. Am Ende der Brücke, die über den Rio di Lorenzo führte, trat ihr der schwarze Sklave der Caloprinis in den Weg.
    »Mit Verlaub, Suora

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