Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
Vom Netzwerk:
Monna …?«
    »Sanchia Foscari.«
    Er lächelte sie an, schwitzend und dankbar. »Albrecht Dürer, stets zu Euren Diensten.«
    Lorenzo hatte sie bereits gesehen, bevor der junge Mann auf der Fondamenta nach Pacioli gerufen hatte. Sie kniete neben einem zerlumpten Bettler, der wie am Spieß schrie, weil sein Bein gebrochen war. Ein paar Schaulustige scharten sich um das ungleiche Paar und glotzten mit offenem Mund die engelsgleiche Schönheit an, die sich über den schmutzigen, stinkenden Greis beugte.
    Doch dann geschah nichts weiter, als dass sie das verkrümmte Bein des Bettlers auf einem Holzbrett festband und zwei Männer mit vereinten Kräften den Verletzten auf ein Boot hievten, das offenbar dem einen der beiden Männer gehörte. Die junge Frau blieb bei dem zurückbleibenden Mann stehen, einem gut aussehenden Burschen mit einer wallenden Lockenmähne, und die Gaffer zerstreuten sich wieder.
    Mit zusammengekniffenen Augen behielt Lorenzo das Geschehen auf der Fondamenta im Auge und versuchte gleichzeitig, dem Gespräch mit dem englischen Diplomaten zu folgen, bei dem es nicht um irgendwelche Nebensächlichkeiten, sondern möglicherweise um die Zukunft der Republik ging.
    Nicht nur in London beobachtete man mit Sorge die Bestrebungen Karls des Achten, die französische Vormachtstellung auf dem europäischen Kontinent auszubauen.
    » …haben unsere Späher berichtet, dass zwischen Lyon und Grenoble ein Heer zusammengezogen wird, das über fünfunddreißigtausend Mann stark ist. Schweizer Fußvolk und Landsknechte mit mindestens achttausend Mann und doppelt so vielen Bretonen und Gascognern. Die Bewaffnung ist Furcht erregend. Ebenso viele Arkebusen wie Hellebarden, hieß es. Dazu schwere Reiterei von französischen Edelleuten mit mindestens zweitausendfünfhundert Mann. An Feldgeschützen mindestens hundertdreißig Stück, davon allein über hundert Couleuvrinen auf Räderlafetten.«
    Zwei Mitglieder des Rats der Zehn, einer davon Lorenzos Vater, lauschten dem Bericht mit offensichtlich gemischten Gefühlen. Der Londoner Gesandte lockerte sein Halstuch, das er trotz der mörderischen Hitze, die durch die weit offenen Fenster in den Portego drang, zu einem vorbildlichen Knoten geschlungen hatte. Sein Haar klebte in schweißfeuchten Strähnen an seinem Kopf. Hinter ihm stand ein schwarzer Diener in bunten Pumphosen und wedelte den Diplomaten mit einem überdimensionalen Fächer Kühlung zu.
    Lorenzo erhaschte dabei unfreiwillig einen ordentlichen Schwall von den Ausdünstungen des Engländers – eine Mischung aus ranzigem Körperfett, ungewaschener Kleidung und Brandy – und denen seines Vaters, der zum Glück regelmäßig badete und seine Kleidertruhe mit Sandelholz ausgelegt hatte.
    Der bevorstehende Feldzug der Franzosen war für Lorenzo keine Überraschung. Wohin auch immer er in den letzten Jahren gereist war, Mailand, Ferrara, Genua oder Savoyen – einer der Gesandten Karls war schon dort gewesen und hatte in heimlichen Verhandlungen gesteckt. Für jeden, der sich die Mühe machte, hinzuschauen, war es offenkundig, dass Karl um Verbündete buhlte. Oder, wenn das nicht gelang, wenigstens Stillhalten zu vereinbaren.
    Lorenzo hatte dem verantwortlichen Unterhändler des Hauses Valois auf geheime Weisung des Großen Rats die Passivität Venedigs zugesagt, unter vier Augen und ohne schriftliches Protokoll.
    Die Seerepublik würde sich daran halten, aber würde Karl sich mit Neapel zufriedengeben?
    »Man stelle sich vor, was geschieht, wenn er dann auch Florenz haben will«, sagte der Zehnerrat, dem der Palast gehörte, in dem sie sich heute getroffen hatten. »Oder Genua. Oder Mailand. Und was, wenn er gar alle Städte unter sich vereint, dann ist die Serenissima beizeiten von der Terraferma und von allen Handelswegen zu Lande abgeschnitten, und das übrige Italien treibt uns aufs Meer hinaus!«
    Lorenzo erinnerte sich bei diesen Worten deutlich an eine Unterhaltung, die er vor etlichen Jahren mit seinem Vater und seinem Onkel geführt hatte. Francesco Caloprini hatte eine derartige Entwicklung vorausgesehen. Bisher hatte er in vielen Dingen Recht behalten. Ob es ihn freuen würde, wenn er hörte, dass sich wieder eine seiner Prognosen zu erfüllen schien? In diesem Falle sicher nicht, denn er liebte Venedig mit einer Inbrunst, die er trotz seiner häufigen Abwesenheit nicht verhehlen konnte. Vielleicht war es die ständige Sehnsucht nach den vertrauten Ufern der Lagune, die seine Wertschätzung der

Weitere Kostenlose Bücher