Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
Kammer, während Sanchia ihr aus einem Eimer klares Wasser über den Kopf goss, um das Gemisch aus Seife, Eidotter und Ringelblumenöl aus ihren Haaren zu spülen.
»Nicht immer«, sagte Sanchia mechanisch, den Eimer beiseitestellend. Sie wrang das lange Haar aus, dann nahm sie das bereitliegende Baumwolltuch und wand es Eleonora um den Kopf. Ihr eigenes Haar hing schwer und feucht über ihre Schultern, und unwillkürlich gingen ihre Blicke zur Tür. Der Riegel war vorgeschoben, sie hatte sich an diesem Abend schon ein halbes Dutzend Mal vergewissert, dass sie es nicht vergessen hatten. In den letzten Wochen war schon die schlichte Tätigkeit des Haarewaschens ein Risiko, doch hin und wieder musste es einfach sein, sonst wurde das Jucken und der Anblick der fettigen Strähnen beim Kämmen unerträglich.
Moses, dachte sie zusammenhanglos. Der Dominikaner hatte dem Stallknecht so häufig von den Qualen des Fegefeuers gepredigt, dass dieser in der letzten Zeit nur noch mit gesenktem Kopf herumgeschlichen war. Armer, einfältiger Moses, ob er sich wenigstens nach seinen zusätzlichen Beichten bei dem Mönch von seinen vorgeblichen Sünden reingewaschen fühlte?
Herkules schnüffelte auf dem Boden an einer Wasserpfütze herum und bekam dabei Seife in die Nase. Winselnd und mit eingekniffenem Schwanz schoss er durchs Zimmer und versuchte, mit der Pfote die ätzende Substanz loszuwerden. Seufzend bückte Sanchia sich, schnappte sich den Winzling und tupfte ihm die Nase mit einem in sauberem Wasser eingeweichten Tuch ab.
»Ich wünschte, ich wüsste, wie wir es hinkriegen«, sagte Eleonora trübselig.
»Wie wir was hinkriegen?«, fragte Sanchia geistesabwesend.
»Unser Problem zu lösen. Du deines mit Lorenzo und ich das meine mit Pasquale.«
»Ich habe kein Problem mit Lorenzo«, behauptete Sanchia wider besseres Wissen.
Eleonora setzte sich vor den Ofen und rubbelte ihr Haar mit dem Handtuch trocken. »Weißt du, dass ich Lorenzo eine Zeit lang gern umgebracht hätte?«
Sanchia fühlte, wie ihre Mundwinkel sich zu einem Lächeln verzogen. Immerhin, sie konnte trotz der angespannten Situation noch Heiterkeit empfinden, vielleicht war das ein gutes Zeichen für die Zukunft. »Wenn das deine Problemlösung ist, kann ich damit nicht einverstanden sein.«
»Nein, ich meine nicht jetzt. Früher. Als wir beide von Suor Annunziata in das Besucherzimmer zitiert wurden, wo der Schwarze uns dann im Namen Lorenzos all diese gemeinen Dinge sagte.« Ihr Gesicht zeigte einen befriedigten Ausdruck. »Ich bin froh, dass du es ihm später mit gleicher Münze heimgezahlt hast.« Achselzuckend fügte sie hinzu: »Ich gebe zu, falls er damals unter dem Eis ertrunken wäre, hätte es mir nichts ausgemacht, obwohl er dieses kleine Kind gerettet hatte. Aber Gott wollte ihn wohl nicht sterben lassen. Gott und sein komischer schwarzer Sklave. Er ist schön wie ein Engel der Hölle, findest du nicht?« Um Missverständnissen vorzubeugen, ergänzte sie: »Rufio, nicht Lorenzo. Obwohl Lorenzo natürlich auch sehr schön ist.«
Sanchia machte sich verlegen an dem Waschzuber zu schaffen und räumte die Utensilien zusammen, die sie für die Prozedur des gegenseitigen Haarewaschens benutzt hatten.
»Es gab eine Zeit, da fand ich ihn so herrlich, dass ich dachte, die Sonne müsste sich hinter den Wolken verstecken, sobald er erschien«, sagte Eleonora.
Sanchia schwieg, nicht nur, weil ihr keine rechte Antwort einfallen wollte, sondern weil sie es auch für angebracht hielt, besser nichts zu erwidern. Eleonora konnte zu manchen Anlässen launisch reagieren, ohne dass sofort ein Grund dafür erkennbar war, und eines der Themen, die ihre Reizbarkeit zu erhöhen schienen, war Lorenzo Caloprini und alles, was mit ihm zu tun hatte. Als Sanchia ihr nach wochenlangem Zögern endlich die Wahrheit über ihre Beziehung zu ihm eingestanden hatte, war Eleonora erst nach Tagen mürrischen Schweigens wieder zu ihrem gewohnten Überschwang zurückgekehrt.
»Aber Pasquale ist für mich hundert Mal schöner. Tausend Mal.« In ihrer Stimme paarte sich tiefes Gefühl mit einem gewissen Trotz. »Er hat nur ein Bein und ein versehrtes Auge, und im Reden ist er sicher nicht der Gewandteste. Er ist dürr wie ein Stecken und stinkt oft nach Pulver und Kohle. Aber er ist ein wunderbarer Mann.«
»Das ist er«, stimmte Sanchia sofort vorbehaltlos zu. »Er ist einer der besten Männer, die ich je kennen gelernt habe.«
»Ich würde ihn so gern heiraten!« Eleonora
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