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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Schmerz umnebelten Gedanken eine Regung auslöste. »Ich kenne den Sohn eines Zehnerrats.«
    »Den kenne ich auch«, sagte Giulia gelassen. »Sogar sehr gut. Aber er kann uns nicht helfen. Im Gegenteil. Der schöne Lorenzo wird alles nur verschlimmern.«
    Sanchia unterdrückte die Wut und die Eifersucht, die in ihr aufwallten. »Wozu brauchen wir Geld, wenn wir sowieso nicht hier rauskommen?«
    »Um eine Botschaft überbringen zu lassen.«
    »An Lorenzo?«
    »Nein, ich sagte doch, dass er nicht zum Retter taugt. Wir brauchen jemanden, der uns von hier wegbringt, bevor Lorenzo Wind davon kriegt, dass wir hier sind. Und das wird er, wenn wir uns nicht schnellstens aus dem Staub machen. Sobald er erfährt, dass wir hier sind, sind wir tot. Jetzt liegt es an dir, was als Nächstes geschieht. Willst du leben oder sterben?«
    Sanchia starrte Giulia mit zusammengekniffenen Augen an. »Du bist verrückt«, sagte sie langsam. »Er würde mir niemals etwas antun.«
    »Glaub es ruhig, wenn es dich glücklich macht.«
    Sanchia dachte an die Szene, die sich gestern nach der Einfahrt des Bucintoro abgespielt hatte. An die entgeisterten Mienen seines Vaters und seines Onkels. Davor schob sich, wie bei einem Zerrspiegel, das hasserfüllte Gesicht Caterinas, mit Augen, die wie Feuer auf ihrer Haut und ihrem Haar brannten.
    »Warum hast du versucht, ihm dein Kind unterzuschieben?«
    Giulia schaute sie unter gesenkten Lidern hervor an. »Ich weiß nicht, wovon du redest.«
    »Ich habe euch gesehen, auf der Andata! Ich habe gehört, was du damals zu ihm gesagt hast!«
    »Sehe ich aus, als hätte ich es nötig, mein Kind einem falschen Vater unterzuschieben?«
    Sanchia gab sich redliche Mühe, diese Frage zu bejahen, doch das hätte bedeutet, sich selbst zu belügen. Giulia war ebenso kostbar gekleidet wie zu den beiden anderen Gelegenheiten, als Sanchia sie beobachtet hatte. Ihr Kleid, eine Kreation aus meergrüner Seide mit schwarzen Samtbesätzen, war zwar schmutzig und am Saum zerrissen, doch davon abgesehen zeugte es von vollendeter Schneiderkunst und einer Stoffauswahl, bei der Geld keine Rolle gespielt hatte.
    Sanchia spürte, wie der Zweifel in ihr sein hässliches Haupt erhob. Es gab keine Beweise, dass Lorenzo ihr in diesem Punkt die Wahrheit gesagt hatte, aber einige sehr überzeugende Gründe dafür, dass er sie angelogen hatte. Unter anderem den, dass sie ihn anderenfalls niemals erhört hätte. Vielleicht wäre es ihr auch gleichgültig gewesen – bei Lichte betrachtet war die Wahrscheinlichkeit dafür nicht einmal sehr klein –, doch das hatte er ja nicht wissen können.
    »Das Kind … es tut mir leid, dass es gestorben ist. Ich hoffe, du hast andere Kinder bekommen.« Sanchia merkte, wie unsicher ihre Stimme klang, und sie räusperte sich, um davon abzulenken.
    Doch Giulia machte keine Anstalten, etwas zu erwidern. Sie lauschte, dann richtete sie sich mit unbeholfenen Bewegungen auf. »Rasch. Ich höre Schritte. Der Wachmann kommt gleich auf seinem Kontrollgang vorbei. Wenn wir es überhaupt versuchen, dann nur bei ihm. Er ist jemand, der auf deine Bemühungen reagieren könnte. Schau nach, womit du ihn dazu überreden kannst, eine Botschaft zu überbringen. Ich hatte Smaragde, passend zum Kleid. Aber die haben sie mir natürlich weggenommen, die Bastarde.«
    Sanchia fasste an die Lederschnur, die um ihren Hals lag, und tastete von dort aus nach ihrem Anhänger. Er ruhte wie immer zwischen ihren Brüsten, ein zuverlässiges schweres Rund aus massivem Silber. Für sie selbst war es der wertvollste Gegenstand, den sie besaß, aber würde er für den Zweck, den ihre Zellengenossin im Auge hatte, ausreichen? Blieb außerdem die Frage, an wen die Botschaft gehen sollte und was sie beinhalten würde. Blitzschnell dachte Sanchia nach. Sie wog alle Möglichkeiten gegeneinander ab und kam zu einem Ergebnis.
    Pasquale hatte wie so oft die Nacht über gearbeitet. Etwa eine Stunde nach Sonnenaufgang war er so müde, dass er im Stehen hätte einschlafen können, doch das würde er sich erst gestatten, wenn dieser Spiegel vom Tisch gehoben war und an der Wand lehnte. Er beugte sich über die glatte Fläche und betrachtete sein Gesicht. Der Spiegel war perfekt gelungen und sagte ihm gnadenlos die Wahrheit. Furchen, ein streng verkniffener Mund, die habichtartige Nase und, wie ein Brandmal, die roten Narben um das versehrte Auge herum. War das wirklich er? Was um alles in der Welt konnte eine Frau wie Eleonora an so einer

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