Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
Vom Netzwerk:
irgendein Mönch dort zu Inspektionszwecken aufhielt und die Klosterleitung daher Männerbesuche untersagt hatte.
    Nach Murano konnte sie nicht kommen, weil hier, wo jeder jeden kannte, die Wände Ohren hatten. Sie konnten es sich nicht erlauben, dass ihre Beziehung publik wurde. Männer, die mit geweihten Nonnen erwischt wurden, endeten entweder zwischen den Säulen oder in der Verbannung.
    Eleonoras Bemühungen, vom Patriarchat einen Dispens zu erlangen, waren bisher nicht einmal ansatzweise von Erfolg gekrönt gewesen, und Pasquale stand kurz davor, selbst mit einem Bittgesuch vorstellig zu werden, bei wem auch immer.
    »Was nehmt Ihr, um so einen Spiegel zu machen?«
    Die Frage war von ehrlichem Interesse erfüllt, was Pasquale zu einem flüchtigen Aufschauen bewegte. »Glas und verschiedene Metalle, die ich zu einer Legierung verbinde. Es ist alles ziemlich kompliziert.«
    »Ich habe hier etwas, das mir eine angemessene Gegengabe für einen dieser hübschen Spiegel zu sein scheint. Wärt Ihr damit einverstanden?« Der Zwerg zog einen Gegenstand aus der Tasche an seinem Gürtel, und als Pasquale sah, um was es sich handelte, machte er eine unbedachte Bewegung. Der Spiegel rutschte aus der Halterung und prallte auf die Arbeitsplatte. Das Glas hielt, es war zu fest, um bei so einer kleinen Unachtsamkeit zu zerbrechen. Doch die Beschichtung auf der Rückseite löste sich auf wie unter dem Blick eines bösen Zauberers, sie zerfiel förmlich vor Pasquales Augen. Zinn, Silber und Kupfer blieben als fleckiger Belag an dem Glas haften, während das Quecksilber wie ein Schwarm winziger blitzender Fische davonschoss.
    Pasquale achtete nicht darauf, es war ihm völlig gleichgültig. Sein Holzfuß knallte auf den Boden, als er mit drei riesigen Schritten zu Giustiniano eilte und ihm den Gegenstand aus der Hand riss.
    »Woher habt Ihr das?«, fuhr er den Zwerg an.
    Giustiniano schaute unerschrocken zu der drohend über ihm aufgerichteten Gestalt hoch. Sein mäuseartiges Gesicht verzog sich zu einem gelassenen Lächeln. »Ich sagte doch, ich komme als Bote.«
    »Das Kind habe ich nicht gefunden, es war weder in deiner Wohnung noch in der Nachbarschaft«, sagte Giustiniano mit gedämpfter Stimme. Er ging vor den Gitterstäben in die Hocke und lugte in die Zelle. »Aber den Rest habe ich erledigt. Der Spiegelmacher hat gesagt, er kümmert sich um alles.«
    Sanchia merkte, wie ihr vor Erleichterung die Knie bebten. Sie hatte nicht mehr damit gerechnet, dass der Wärter wieder auftauchen würde, obwohl Giulia behauptet hatte, der Bursche sei eine ehrliche Haut, soweit man das von einem Gefängnisaufseher im Dogenpalast überhaupt sagen konnte. Außerdem hatte sie zu berichten gewusst, was man über die Herkunft Giustinianos munkelte: Es hieß, der Zwerg sei der uneheliche Sohn eines Prokurators, und seine Mutter, die Witwe eines Schmieds, habe darauf bestanden, dass ihrem Sprössling ein sicherer Broterwerb beschafft wurde, ansonsten sie dafür Sorge tragen werde, dass alle Welt vom Fehltritt seines Erzeugers erfuhr.
    »Glaub mir, er ist nicht einer der üblichen Wärter«, hatte Giulia geflüstert. »Er ist einer jener Männer, die hungrig nach dem Leben sind, nach jedem Bissen, den sie davon kriegen können!«
    Anscheinend hatte sie Recht, sonst wäre Giustiniano wohl kaum so bereitwillig auf ihr Angebot eingegangen. Der Anhänger mochte einen gewissen Wert haben, doch bestimmt reichte es nicht, um einen pflichtbewussten Gefängniswärter zu einem Verrat wie diesen anzustiften. Es musste schon ein gehöriger Drang zum Abenteuer hinzukommen, um sich auf so ein Unternehmen einzulassen und den Beteuerungen von zwei weiblichen Gefangenen Glauben zu schenken. Offensichtlich hatten sie Glück im Unglück gehabt, dass ausgerechnet er in dieser Nacht Dienst gehabt hatte.
    »Der Spiegelmacher kommt bald«, sagte Giustiniano leise. »Er ist noch zu jemandem unterwegs, um Hilfe zu holen, aber es kann nicht lange dauern.«
    »Was ist mit dem Torwächter? Habt Ihr ihn ebenfalls benachrichtigen können?«
    »Er ist nicht mehr im Kloster«, sagte Giustiniano. »Ein mondgesichtiger, nach Stall stinkender Bursche erzählte mir, dass die Signori di Notte den Torwächter geholt haben. Vielleicht ist er bereits hier untergebracht. Ich werde mich gleich mal umhören.« Er ließ die Gitterstäbe los und richtete sich auf, weil jemand vorbeikam. Als er sah, dass es nur ein paar herumstreunende Kinder waren, schüttelte er in drohender Gebärde seinen

Weitere Kostenlose Bücher