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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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verwachsenen Hals. Davon abgesehen wirkte er überraschend normal, anders als die meisten Kleinwüchsigen, die Pasquale bisher gesehen hatte und die in aller Regel entweder als Bettler oder als Schausteller ihr Dasein fristeten. Dieser hier sah nicht danach aus, als müsste er auf diese Weise seinen Lebensunterhalt verdienen. Er trug gut gearbeitete Kleidung, schlicht, aber sauber und nicht verschlissen. Seine Stiefel waren geformt wie die eines Mannes, obwohl seine Füße klein wie bei einem Kind waren. Seine Miene zeigte einen Ausdruck von höflicher Neutralität, während er die Musterung des Spiegelmachers über sich ergehen ließ.
    »Wer seid Ihr?«, fragte Pasquale.
    »Ein Bote. Giustiniano, zu Euren Diensten.« Der Zwerg deutete eine Verneigung an. Er hatte dichtes rötlich braunes Haar, das vorn in der Stirn zu einer Spitze auslief, was seinem ansonsten recht fein geschnittenen Gesicht einen verschmitzten, fast mausähnlichen Ausdruck verlieh.
    »Ihr müsst eine Minute warten, ich will zuerst den Spiegel aufstellen.«
    »Eine Minute habe ich Zeit«, sagte der Zwerg. Er reckte sich und warf einen neugierigen Blick auf den Arbeitstisch. »Wie ich sehe, seid Ihr ein besonderer Künstler.«
    Vittore entfernte sich achselzuckend, und Giustiniano trat näher und beäugte die unterschiedlich großen Spiegel, die überall an den Wänden lehnten oder hingen. Er blieb vor einem der größeren Stücke stehen und betrachtete sich verblüfft. Seine Hände fuhren hoch und berührten zuerst seine Brust und dann sein Gesicht, als müsse er sich vergewissern, dass es sich um Teile seiner selbst handelte.
    »Oje, nun sehe ich, was sie meinen.«
    »Was wer meint?«, fragte Pasquale geistesabwesend.
    »Die Kinder. Sie rufen mir dauernd nach, was für ein hässlicher Geselle ich bin. Nun, sie haben Recht.«
    »Macht Euch nichts daraus. Schaut mich an. Was glaubt Ihr, was sie mir hinterherrufen?«
    »Ich verstehe«, seufzte Giustiniano. Interessiert kam er näher. »Was macht Ihr da? Ist das Alchimie?«
    »Manche behaupten es«, gab Pasquale wortkarg zurück. Er hätte hinzufügen können, dass es in Wahrheit eine unendliche Reihe von Irrtümern und Misserfolgen war, die nur mit einer Menge Geduld und Glück irgendwann in einer fernen Zukunft zum Ziel führte – und auch das nur vielleicht. Doch ihm war nicht nach sophistischen Erklärungen zumute, dafür war die Arbeit zu heikel. Gerade jetzt musste er auf jeden einzelnen Handgriff höllisch aufpassen. Er hatte begonnen, mit einem spitzen, scharfen Messer die Glasscheibe von der hölzernen Umrandung des Arbeitstisches zu lösen. Die Scheibe, die er für dieses Stück verwendet hatte, war weit größer als bei seinen bisherigen Versuchen, und er hatte mehr Silber zugegeben als sonst. Er hatte den Rand zusätzlich mit Zinn verlötet und eine doppelte Kupferschicht aufgebracht, und er hoffte, dass die Legierung auf der Rückseite des Glases diesmal besser halten würde. Die Mischung schien ihm nahezu perfekt, und die Fläche war von der Größe her wohl von keinem anderen Spiegelmacher der Welt zu übertreffen, aber was nützte die ganze Kunst, wenn das Quecksilber sich aus unerfindlichen Gründen auch nach sorgfältiger Trocknung bei der leisesten Erschütterung aus der Legierung davonmachen und in unzähligen Tröpfchen über den Holzboden der Werkstatt perlen konnte? Er hätte lieber andere Ingredienzien verwendet, aber das war wohl illusorisch. Ohne Quecksilber ging es nicht. Das Produkt war instabiler als Schwarzpulver und nicht minder tödlich, nur dass die Wirkung nicht sofort eintrat, sondern schleichend über Jahre hinweg. Wahrscheinlich lag es am Quecksilber, dass Sebastiano seit ein paar Monaten Blut hustete.
    Pasquale hatte sich Eleonoras Flehen gebeugt und trug seit einer Weile Handschuhe und eine Maske bei der Arbeit mit dem flüchtigen Metall, obwohl er starke Zweifel daran hegte, ob diese Vorsichtsmaßnahmen noch viel nützten.
    »Von mir ist sowieso nicht mehr viel da«, hatte er trocken bemerkt, doch seine Liebste hatte ihm geschworen, dass ihr jeder noch verbliebene Körperteil kostbar sei und er darauf achten müsse, alles so instand zu halten, wie es war.
    Wie immer wurde er beim Gedanken an Eleonora unruhig und musste sich zwingen, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Er hatte sie seit Wochen nicht gesehen und fieberte ihrer nächsten Begegnung entgegen wie ein Verdurstender einem Schluck Wasser. Im Kloster konnte er sie derzeit nicht treffen, weil sich

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