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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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mit der beinahe krankhaften Kontrollsucht der Stadtoberen abgefunden. Die Serenissima hatte ihre eigenen Gesetze, und eines davon lautete, dass die Glaskunst ihr Eigentum sei und nur auf Murano ausgeübt werden dürfe. Es war den Glasmachern unter Androhung der Todesstrafe verboten, die Lagune zu verlassen oder Fremden die Geheimnisse ihrer Kunst zu offenbaren.
    Allerdings nützten alle Verbote nichts, wenn der Rat nicht über ihre Einhaltung wachte, doch das tat er geflissentlich, sehr zu Pieros Ärger – obwohl er selbst weder auf Reisen ging noch je mit Fremden zu tun gehabt hatte. Immerhin war der amtliche Wachposten, der noch zu Zeiten seines Vorgängers die Werkstatt beaufsichtigt hatte, schon vor Jahren abgezogen worden.
    Piero wusch sich und ging nach oben. Er wich der Hausmagd aus, die auf den Knien die Stiege wischte und ein ärgerliches Gemurmel von sich gab, als er Aschespuren auf den Stufen hinterließ.
    Bianca saß in der zum Kanal weisenden Kammer in einem Lehnstuhl, eine Flickarbeit auf den Knien.
    Sie schaute auf, als er den Raum betrat. »Was ist los mit dir, bist du krank?«
    Piero verzog reumütig das Gesicht. »Das habe ich wohl verdient. Ich habe in der letzten Zeit zu viel gearbeitet, oder?« Er trat zu seiner Frau und küsste sie auf die Stirn. »Wo ist Sanchia? Sollte sie nicht zur Vesper zu Hause sein?« Unbeholfen hielt er eine kleine gläserne Figur hoch. »Sieh mal, das habe ich für sie gemacht. Meinst du, dass es ihr gefällt?«
    Bianca musterte das Kunstwerk, das sich ein wenig seltsam in seiner großen, schwieligen Hand ausnahm. Es war eine etwa daumengroße, kristallene Taube, beinahe beängstigend schön in ihrer filigranen Vollkommenheit.
    »Sie wird glücklich sein über dieses Geschenk.« Bianca lächelte. »Hättest du mir nicht schon so viele herrliche Figuren gemacht, würde ich neidisch werden.«
    »Wo ist sie eigentlich?«
    »Die Katze der Sanudos hat Junge geworfen. Ständig läuft sie hinüber, um sie sich anzusehen.« Bianca streckte sich und legte seufzend eine Hand ins Kreuz. Sie bemerkte sein Erschrecken und lachte. »Keine Angst, es ist noch nicht so weit. Vor November wird nichts geschehen.«
    »Ich habe dennoch Angst.« Er zog sie aus dem Stuhl hoch und in seine Arme, bis ihr schwerer Leib gegen ihn drängte. »Willst du es mir verdenken?«
    »Diesmal wird alles gut«, sagte sie zuversichtlich. »Die Hebamme hat gesagt, das Kind liegt richtig. Ich blute nicht, und meine Beine sind auch nicht geschwollen. Das Kind ist lebhaft und strampelt viel.« Sie lächelte, während sie seine Hand nahm und sie auf die Wölbung ihres Bauchs legte.
    Piero atmete tief ein, als er die Bewegung unter seinen Fingern spürte. Er konnte nichts sagen.
    Bianca berührte mit den Lippen seinen Hals. »Sanchia wird sich über einen kleinen Bruder freuen. Sie ist ja jetzt schon ganz närrisch wegen des Kindes.«
    Piero hielt sie weiter umfangen. Ihm war lieber, dass sie die Sorge in seinem Gesicht nicht sah. »Ich verdiene dich nicht«, meinte er leise.
    »Du verdienst viel mehr als mich.«
    »Nein, ich arbeite zu viel. Ich sollte mehr bei dir sein als in der Werkstatt, gerade jetzt.«
    »Du wärst unglücklich, wenn du weniger arbeitest.« Nach kurzem Überlegen meinte sie: »Aber du könntest dich ein wenig mehr um Sanchia kümmern. Sie ist manchmal so … wild und ungezähmt.«
    »Das ist ihre Art. Sie ist nicht wie andere Kinder.«
    »Ja, da hast du wohl Recht«, sagte Bianca mit schwacher Beklommenheit in der Stimme.
    Piero holte Luft. »Ich denke, ich werde sie morgen mitnehmen.«
    Bianca löste sich aus seinen Armen. »Hältst du das für richtig?«
    Er nickte entschieden und zog sie wieder an sich. »Es wird höchste Zeit. Ich kann sie nicht auf ewig von der Stadt fernhalten. Sie fragt andauernd danach. Sogar die anderen Kinder schwärmen ihr schon davon vor. Wenn ich es ihr weiter verweigere, wird sie bald misstrauisch werden. Morgen ist eine gute Gelegenheit.« Belustigt fügte er hinzu: »Pasquale ist auch dabei. Er wird ihr all ihre vielen Fragen bestens beantworten.«
    Außer der einen, fügte er in Gedanken hinzu.
    Sein Blick fiel über Biancas Schulter durch das offene Fenster hinaus auf den Kanal, der unweit des Hauses eine Biegung machte und in die offene Lagune mündete. Plötzlich stürmten die Erinnerungen aus jener Nacht vor mehr als sieben Jahren auf ihn ein, Bilder, die er lange verdrängt hatte. Er fragte sich, ob es wirklich eine so gute Idee war, Sanchia morgen

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