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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Lues war Furcht erregend und oft tödlich, und sie lieferte der Kirche scharfe Munition im Kampf gegen die Sünde der Unkeuschheit: Diese bisher unbekannte Geißel der Menschheit wurde durch den Geschlechtsakt übertragen.
    »Die Beschwerden, die du jetzt hast, werden verschwinden«, meinte Sanchia. »Die Pusteln heilen ab.«
    »Aber sie können wiederkommen.«
    »Die Krankheit ist noch neu, man weiß noch nicht so viel darüber.«
    »Kann ich den Jungen angesteckt haben?« In Giulias Augen stand Angst.
    Sanchia schüttelte den Kopf. »Als er geboren wurde, hattest du es noch nicht, also kannst du ihn auch nicht angesteckt haben. Es wird sonst nur bei der Liebe übertragen.«
    »Was für ein großes Wort für eine so niedrige, schweißtreibende Arbeit«, sagte Giulia mit unbewegter Stimme. »Aber für dich hört es sich richtig an, stimmt’s? Für dich war es mit Lorenzo sicher immer wie das Himmelreich auf Erden.«
    »Ja, genau das war es«, hörte sich Sanchia zu ihrem eigenen Entsetzen mit wohlberechneter Grausamkeit antworten. Sie begriff, dass sie Giulia verletzen wollte – eine seit ihrer frühen Jugend von Männern missbrauchte Frau, die zu ihrer aller Nutzen ihren Körper verkauft hatte und sich dabei eine tödliche Krankheit eingehandelt hatte!
    Voller Scham wandte sie das Gesicht ab. »Verzeih.«
    »Warum?« Giulia schien überrascht. »Für mich war es doch auch so. Er ist im Bett ein wahrer Künstler.«
    Damit hatte sie den Spieß auf weit wirkungsvollere Weise umgedreht, als Sanchia es für möglich gehalten hätte. Der Schmerz, den diese Erwiderung in ihr hervorrief, war so heftig, dass sie vom Bett aufsprang und die Hände zu Fäusten ballte. »Du!«, stieß sie hervor.
    Giulia schaute zu ihr auf. In ihren schrägen Katzenaugen stand ein boshafter Glanz. »Willst du mich schlagen?«
    Sanchia schüttelte müde den Kopf. »Mein Gott, natürlich nicht. Es ist nur … Ach, ich weiß es nicht. Es tut mir leid.« Sie schloss das Fenster. »Ich gehe zur Apotheke und besorge Kräuter und ein paar Ingredienzien. Etwas, von dem das Fieber sinkt und der Juckreiz weggeht.«
    »Wachsen davon auch meine Haare nach?«
    »Nein.«
    »Dann dürftest du wohl jetzt und für alle Zeiten messbar schöner sein als ich, auch ohne deine komischen Formeln zur Proportionenmessung.«
    Sanchia war nicht zum Spaßen zumute, und vermutlich hatte Giulia es nicht einmal scherzhaft gemeint. Sie war gar nicht in der Verfassung, etwas lustig zu finden.
    »Du neidest mir das Kind, nicht wahr?«
    Sanchia, die gerade auf den Gang hinaustreten wollte, blieb abrupt stehen. Sie setzte an, die Frage zu verneinen, brachte es aber nicht fertig. Stattdessen schwieg sie und stand mit durchgedrücktem Kreuz in der offenen Tür, halb zur Seite gewandt, um Giulia nicht anschauen zu müssen.
    »Was tätest du, wenn du an meiner Stelle wärst? Wenn Marco dein Sohn wäre?«
    Sanchia verließ die Kammer. Im Hinausgehen sagte sie über die Schulter: »Diese Frage kann ich dir wirklich nicht beantworten.«
    »Ich will mit, ich will mit, ich will mit!« Marco stand mit vorgeschobener Unterlippe vor der Haustür, entschlossen, keinen Zentimeter an Boden preiszugeben.
    »Es ist kalt draußen, und …« Außer der Kälte wollten Sanchia keine Argumente einfallen, die dagegensprachen, dass der Kleine sie auf ihrem Weg zum Kräuterhändler begleitete. Es waren nur ein paar Minuten zu Fuß, und Marco war seit Tagen nicht an der frischen Luft gewesen.
    Sie zog ihm seinen warmen, mit Hermelin gefütterten Umhang an und legte das grob gestrickte Wams darüber. Niemand musste sehen, dass er das Kind einer reichen Frau war. Die Angeli mitsamt ihren erwachsenen Helfern lauerten an allen Ecken, und ihr Gebettel war über die Maßen dreist.
    Ihr eigener Umhang war aus brauner Wolle, verfilzt und an den Säumen ausgefranst wie die meisten Teile ihrer spärlichen Garderobe. Bisher war noch keiner der jugendlichen Spendeneintreiber auf die Idee gekommen, sie um einen Beitrag für die Armen anzugehen.
    Sie nahm den Kleinen bei der Hand, und kaum hatten sie das Haus verlassen, als er auch schon mit ungezählten Fragen über sie herfiel.
    »Kann ich später auch mal Hebamme werden? Was macht eine Hebamme?«
    »Sie holt die Kinder auf die Welt.«
    »Woher?«
    »Aus dem Bauch der Mutter. Du weißt doch, warum Eleonora einen dicken Bauch hat, oder? Es ist ein kleines Kind drin, und bald wird es rauswollen.«
    Er schob die Hand unter seinen Umhang und tastete mit beklommener

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