Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
gehorchen willst?«, erkundigte sich Eleonora. Sie merkte, wie schrill ihre Stimme klang. Einer Magd stand es vielleicht an, so zu keifen, nicht aber einer dem Adel entstammenden Dame. Sie bemühte sich um Mäßigung, auch wenn es ihr schwerfiel. Um Beherrschung ringend, hob sie Herkules auf ihre Arme und streichelte ihn, eine Tätigkeit, die sie normalerweise immer beruhigend fand. »Wer sagt denn, dass du nach dem Gemüseputzen schon heimgehen darfst?«
»Monna Sanchia. Ich gehe heim, weil meine älteste Tochter weg muss.«
»Sie muss weg?« Eleonora setzte das Hündchen abrupt wieder ab. Sie stemmte die Hände in die Hüften und stellte sich auf einen Streit ein. »Wohin denn? Sie ist doch erst vierzehn! Was kann sie außer der Arbeit im Hause für Verpflichtungen haben?«
»Den Bibelunterricht in San Lorenzo«, sagte Immaculata mit Genugtuung in der Stimme. »Sie wird es eines Tages besser haben als ich.«
»Du bist leichtgläubiger, als ich dachte. Schau mich an. Ich kann lesen und schreiben, und was habe ich davon?«
»Eine Magd, eine Amme und eine kluge, fleißige Hausgefährtin, die für unser aller Wohl sorgt«, erklärte Immaculata trocken.
»Willst du damit sagen, dass ich faul bin?«
»Ihr seid für höhere Dinge geboren als die gemeine Arbeit.«
Eleonora runzelte die Stirn und behielt die Magd argwöhnisch im Auge. Hatte Immaculata das eben spöttisch gemeint oder einfach nur eine Tatsache festgestellt? Die Magd bearbeitete mit unergründlicher Miene die Bohnen und ließ mit keiner Regung erkennen, wie ihre letzte Bemerkung zu deuten war.
Eleonora gab es auf. Den Zopf in den Nacken schleudernd, machte sie sich am Herd zu schaffen und schalt Herkules aus, weil dieser ihr zwischen den Füßen herumlief. Sie hasste den Geruch ihrer Haare, und tatsächlich hatte sie vorgehabt, sich von Immaculata beim Waschen helfen zu lassen. Es war völlig ausgeschlossen, dass sie es allein schaffte. Nicht, weil sie sich dafür zu vornehm gewesen wäre – der Himmel wusste, dass sie klaglos sogar die niedrigsten Arbeiten verrichtete, seit ihre Welt vor zwei Jahren so restlos aus den Fugen gegangen war –, sondern weil es viel zu lang war, um es ohne Hilfe waschen zu können. Es musste ausgebreitet und sorgsam übergossen werden, bevor es eingeseift werden konnte. Danach waren weitere Güsse fällig, bis auch der letzte Rest von Schaum sich herausgelöst hatte. Eine besondere Mischung aus Duftöl und Wachs wurde anschließend in die Spitzen verrieben, damit das Kämmen leichter von der Hand ging. Für die ganze Prozedur musste nicht nur eimerweise Wasser erhitzt werden, es war auch harte körperliche Arbeit, mit einiger Bückerei und reichlich Kraftaufwand beim Wringen, Trocknen und Kämmen.
Sanchia konnte ihr Haar problemlos allein waschen, es reichte ihr nur knapp bis an die Taille, weil sie regelmäßig ihre Zöpfe in Ellbogenhöhe abschnitt. Sie brauchte lediglich zwei Eimer, einen, über dem sie das Haar einseifte, und den anderen, um es anschließend auszuspülen. Sie tauchte einfach den ganzen Kopf hinein und kam anschließend prustend und mit sauberem Haar wieder zum Vorschein.
Eleonora beneidete sie um diese leichte Art des Kopfwaschens, hätte aber um keinen Preis dafür auch nur einen Fingerbreit von ihrer Haarpracht geopfert. Wenn sie ihr Haar herabließ, reichte es ihr bis über die Schenkel. Sie kannte Frauen, denen es in aufgelöstem Zustand bis zu den Füßen hing, aber die hatten auch nie eine Investitur mit der damit verbundenen Schur über sich ergehen lassen müssen. Zwischen der Aufnahme im Kloster und der Profess hatte sie ihr Haar kurz getragen, doch danach war es mit keiner Schere mehr in Berührung gekommen. Ihr langes Haar war ihre Freude und ihr Stolz, genau wie ihre Brüste, die durch die Schwangerschaft nicht gelitten hatten, sondern sich aus grässlich schmerzenden Eutern in ganz normale, feste Halbkugeln zurückverwandelt hatten.
Sanchia hatte ihr vorgeschlagen, sie solle ihren Sohn selbst nähren, mit der Behauptung, das Stillen schade den Brüsten nicht, sondern halte sie gesund und frei von Geschwülsten. Widerstrebend hatte Eleonora ihre Bedenken überwunden und es versucht, obwohl ihr Leib noch von der Geburt schmerzte. Sie hatte sich wirklich angestrengt, doch es war kein Tropfen zum Vorschein gekommen.
Sanchia hatte ihr die Drüsen massiert und heiße Tücher aufgelegt, aber es hatte alles nichts geholfen. Sie blieb trocken wie ein versiegter Brunnen.
Ihre Brüste
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