Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
Verschwinden würde dazu führen, dass du deinen Kopf loswirst. Und wenn ich nicht innerhalb der nächsten vier Wochen wieder zurückdarf, geschieht dasselbe.«
»Das ist zu kurz!«
»Es muss bis dahin möglich sein, sonst nützt es mir nichts mehr. Du hast weit schwierigere Dinge in kürzerer Zeit erreicht. Greif zu deinen üblichen Mitteln, wenn sonst nichts hilft.«
Pasquale zog das Messer zurück und stand auf. »Dies ist ein Abkommen. Du bist – neben einem oder zwei anderen Menschen, die auch nicht besser sind – die ekelhafteste, verdorbenste Kreatur unter der Sonne, und Gott weiß, wie sehr ich dich verabscheue. Du hättest schon vor Jahren sterben sollen. Würde ich dich nicht brauchen, wärst du jetzt tot. Dies ist deine Chance, weiterzuleben.«
Er stand auf und zog sich so leise zurück, wie er gekommen war. Im Salon prallte er gegen ein Kerzentischchen, und es gelang ihm nur mit knapper Not, sowohl den Kandelaber als auch das Möbelstück festzuhalten, bevor beides zu Boden poltern konnte. Mit heftig klopfendem Herzen humpelte er weiter. Den restlichen Weg durch den Portego legte er ohne Zwischenfälle zurück. Hinter ihm blieb es ruhig; aus der Schlafkammer drang kein Laut zu ihm.
In der kleinen Durchgangskammer vor dem Treppenaufgang fand er das Talglicht, wo er es abgestellt hatte. Er bückte sich, um es aufzuheben, richtete sich aber sofort wieder auf.
Im schwachen Lichtkreis der beinahe ausgebrannten kleinen Fettpfütze waren auf der unteren Stufe der Treppe, die ins Obergeschoss führte, zwei nackte schwarze Füße zu sehen. Die dazugehörigen Unterschenkel waren wenig behaart, muskulös und ebenso schwarz. Die Fußnägel waren im Vergleich dazu von eigentümlicher Helligkeit, so rosig-weiß, als wären sie emailliert.
Pasquale bewegte sich keinen Fingerbreit von der Stelle. Er fühlte sich so steif und gefühllos, als hätten ihn Henkersknechte ans Kreuz genagelt und seit Stunden dort hängen lassen. Nie wieder würde er ein Bein vor das andere setzen, nie wieder sich überhaupt rühren können. Starr und aufrecht stand er dort, seine Blicke auf diese großen schwarzen Füße geheftet.
An seinen Lidern schienen Bleigewichte zu hängen, er schaffte es kaum, sie so weit zu heben, dass er die übrige Gestalt anschauen konnte.
Der Sklave stand auf der Treppe, den Rücken leicht an die Wand gelehnt, mit locker verschränkten Armen und unbeweglicher Miene. Seine Augen waren so schwarz wie die tiefsten Abgründe des Hades, und doch schienen sie mit besonderem Leben beseelt. Sie schimmerten im Dunkeln, fast so wie glühende Kohlen, nur ohne die Röte des Feuers.
Pasquale stieß den Atem aus, es klang wie das zischende Pfeifen bei einem Blasebalg. Er merkte, dass er die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Als hätte es nur dieses einen Atemzuges bedurft, um seine Erstarrung zu lösen, konnte er plötzlich auch wieder den Rest seines Körpers bewegen. Seine Hand glitt zu dem Messer an seiner Hüfte, doch bevor er auch nur den Griff berühren konnte, zog sich der Sklave zurück. Genauso lautlos, wie er aufgetaucht war, stieg er die Treppe hinauf und verschwand in den Schatten der Nacht.
Eleonora hob eine ihrer Haarflechten hoch und schnupperte daran. Es roch nach Zwiebeln, Kohl und altem, ranzigen Fett. Frustriert fragte sie sich, wie es geschehen konnte, dass Speisen, die beim Kochen so köstliche Wohlgerüche verbreiteten, sich auf so widerwärtige Weise in Haaren und Kleidung niederschlugen. Sie konnte ihr Haar noch so fest flechten und unter der Haube verstecken, wenn sie in der Küche war – hinterher stank es jedes Mal, als hätte sie die Töpfe damit ausgewischt.
Immaculata, die in der Ecke an einem Arbeitstisch saß und Bohnen putzte, hatte sie beobachtet. »Wenn ich hier fertig bin, muss ich heim.«
Eleonora wandte sich verärgert zu ihr um. »Warum sagst du das jetzt?«
»Weil Ihr an Euren Haaren gerochen habt.«
»Was hat das damit zu tun, wann du heimgehst?«
»Wenn Ihr an Euren Haaren riecht, wollt Ihr sie waschen. Das ist so sicher wie das Amen im Vaterunser.«
»Habe ich dir vielleicht angetragen, mir beim Waschen zu helfen?«, erboste sich Eleonora.
Die Magd zog ungerührt weiter die Bohnen ab. »Noch nicht. Deshalb habe ich ja vorsorglich verkündet, dass ich nach dem Gemüseputzen heimgehe.«
»Du musst so lange arbeiten, bis ich dir sage, dass du fertig bist.«
Immaculata schüttelte nur den Kopf.
»Willst du damit zum Ausdruck bringen, dass du mir nicht
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