Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
Ahnung, was du hier anrichtest?« Die Worte gingen in ein unterdrücktes Schluchzen über. »Bitte entstelle mich nicht!«
Pasquale hasste sich plötzlich für das, was er da tat. War er im Begriff, sich in eine ähnlich kranke Seele zu verwandeln wie die, mit der er es hier zu tun hatte? Er verringerte den Druck der Messerspitze ein wenig. »Beweg dich nicht, dann kann ich auch das Messer ruhig halten.«
»Sag mir, was du willst.«
»Sehr gut. Beherrscht gefällst du mir besser.« Pasquale beugte sich vor, als könnte er so die Dunkelheit durchdringen und das Gesicht unter sich sehen. Doch er konnte nichts erkennen. Dafür sagte ihm seine Nase alles, was er wissen musste. Er roch eine Spur von Duftseife, Parfum und Schweiß, aber weit intensiver war die Ausdünstung von Angst und tödlichem Hass.
»Kannst du dir vorstellen, dass ich fast zwei Jahre gebraucht habe, um zu merken, dass ich doppelt getäuscht worden bin?«, fragte er mit seidenweicher Stimme. »Wie war dir damals dabei zumute, als ich im Kerker langsam verrottete, während ich längst offiziell verbannt war? Warum hast du nicht einfach einen Mörder in meine Zelle geschickt?«
»Du irrst dich, wenn du glaubst, dass meine Macht so groß wäre. Mein Einfluss ist begrenzt. Manche Dinge kann man bewerkstelligen, andere nicht. Es hätte ausgereicht, wenn du einfach verhungert wärst. Du warst immerhin auf dem besten Wege. Wäre es nach mir gegangen, hätte man dich beim Strappado erledigt wie den Metallhändler. Aber dafür hattest du ein Bein zu wenig.«
»Warst du wütend, als ich auf einmal weg war?«, wiederholte Pasquale seine Frage von vorhin. Unwillkürlich drückte er das Messer wieder fester in die kleine Vertiefung unter der Kehle, und erneut floss Blut. »Würdest du gern wissen, wer mich da rausgeschafft hat und wem ich im Austausch dafür gewisse Geheimnisse aus der Vergangenheit verraten habe?«
»Ich kann es mir denken.« Die Verachtung war nicht zu überhören. »Deine Schuld, dass du dich so hast übertölpeln lassen. Verflucht, pass mit dem Messer auf!«
»Woher sollte ich wissen, dass ich die Stadt auch so hätte verlassen können?« Pasquale schluckte hart und bezwang seine Wut, die ihn schon mehr als ein Jahrzehnt begleitete wie ein klebriger, juckender Schatten. Der Hass vergiftete sein Gemüt und ließ ihn hart und böse gegen sich und andere werden, doch er konnte schlecht dagegen angehen. Er wusste nicht einmal mehr, wann er das letzte Mal aus tiefstem Herzen gebetet hatte, ohne dabei gleichzeitig die ewige Verdammnis für seine Feinde zu erflehen. Das eine Jahr nach der Kerkerhaft, das er in Padua verloren hatte, weil er mehr tot als lebendig gewesen war, hatte ihn seinen ganzen Lebensvorrat an Gebeten gekostet, und der Rest war ihm zusammen mit dem faulenden Ende seines Beinstumpfs abhandengekommen. Dass der Medicus, der ihm die geschwürigen Zipfel mitsamt einem Stück vom Knochen weggeschnitten und neu vernäht hatte, ein Meister seines Fachs gewesen war, bedeutete kaum mehr als einen kleinen Trost. Das Bein war seither besser belastbar als früher, doch Pasquale hatte Zweifel, dass ihm seine Gebete hierzu verholfen hatten. Es gab andere Dinge, die er sich weit dringlicher wünschte.
»Wie genau stellst du dir das Ganze vor? Wie soll ich deine Verbannung rückgängig machen? Welche Argumente können nach zwei Jahren so überzeugend sein, dass deine Rückkehr für den Rat der Zehn wünschenswert wäre?«
»Nächste Woche lasse ich dir ein Geschenk ins Haus bringen. Das ist dein Argument.«
»Ich weiß nicht, ob meine Macht ausreicht, eine Entscheidung zu deinen Gunsten herbeizuführen.«
»Das habe ich bedacht. Ich werde ein weiteres Geschenk ausliefern lassen – an die Person, die deinen Einfluss entsprechend ergänzen wird. Das Geschenk wird von der Art sein, wie du es liebst.« Er zögerte kurz. »Beide Geschenke.« Pasquale schwieg einige Augenblicke, bis er sicher sein konnte, dass seine nächsten Worte mit dem nötigen Nachdruck ankamen. »Da du sicherlich bereits den Gedanken hegst, nach meiner möglichen Rückkehr wieder einmal einen oder zwei Mörder nach Murano zu schicken, so lass dir sagen, dass ich für diesen Fall selbstverständlich vorgesorgt habe.«
»Und wie?« Es klang demütig – und zugleich verschlagen.
»So nachhaltig, dass du dich gleich mitten auf die Piazetta stellen und den Henker um deine Enthauptung anflehen kannst, wenn du auch nur dazu ansetzt, mich kaltzustellen. Schon mein
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