Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
Vom Netzwerk:
entging. Kunstvolle Wand- und Deckenfresken schmückten fast alle Räume, die sie bisher gesehen hatte, und die Malereien stellten fast ausschließlich biblische Motive dar, jedoch mit Gestalten, die der wahren Welt entstammten: Lorenzo hatte ihr zugeflüstert, dass ein Teil der Fresken den Papst und seine Sprösslinge verewigten.
    Während Sanchia überlegte, was genau Lorenzo vorhin mit später gemeint hatte, öffnete sich die Tür einen Spalt. Erfreut sprang sie vom Bett auf, in der Annahme, er wäre zurück, doch nicht Lorenzo, sondern ein junges Mädchen streckte seinen Kopf zur Tür herein.
    Kichernd wandte es sich zurück und sprach über die Schulter kurz mit jemandem, dann kam sie vollends ins Zimmer und eilte auf Sanchia zu.
    »Wahrhaftig, sie hatten Recht!«, rief sie entzückt aus.
    »Womit?«, fragte Sanchia verdattert.
    »Damit, dass Ihr ausseht wie meine Schwester!«
    Wer immer das behauptet hatte, lag nicht ganz falsch, denn das junge Mädchen hatte tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit Sanchia. Allerdings zeigten sich auf den zweiten Blick doch einige Unterschiede. In Größe und Figur glichen sie einander, und auch die fein gemeißelten Gesichtszüge mit dem runden Kinn und der schmalen Nase erinnerten Sanchia an ihr eigenes Spiegelbild. Doch während ihre eigenen Lippen wie ein Amorbogen geschwungen waren, hatte das Mädchen einen breiten, lachenden Mund, der ihren Zügen einen fröhlichen Ausdruck verlieh. Ihre Augen waren nicht blau, sondern braun, und ihr langes Haar, das sie mit einem schmalen Lederband im Nacken zusammengefasst hatte, war goldblond und damit um einige Nuancen dunkler als das von Sanchia. Außerdem war sie mindestens drei oder vier Jahre jünger. Alles in allem bot sie einen reizenden Anblick, ein hübsches, zartgliedriges Mädchen in einem grünen Samtkleid mit viereckigem Ausschnitt.
    Während Sanchia sich ratlos fragte, welche Position das Mädchen hier im Palast bekleidete – ob sie womöglich eine jener ehrbaren Kurtisanen war, von denen Lorenzo gesprochen hatte? –, griff die Kleine nach ihrer Hand. »Kommt mit.«
    »Wohin? Wer seid Ihr?«
    »Ich bin da, um Euch zu helfen!« Die glatte Stirn des Mädchens legte sich in Falten. »Ich wollte es zuerst nicht glauben, dass Ihr ohne Dienerschaft angereist seid. Aber Burchard sagte, es stimmt.«
    Sanchia ließ sich von dem Mädchen aus dem Zimmer ziehen und folgte ihr durch den Gang.
    »Wer ist Burchard?«
    »Der Zeremonienmeister. Seid Ihr wirklich den ganzen weiten Weg von Venedig bis Rom ohne eine einzige Zofe ausgekommen? Wer hat Euch beim Baden geholfen? Beim Ankleiden?«
    »Na ja, es gab leider kein Bad. Manchmal konnte ich mich in einem Bach waschen.«
    »Madonna, wie entsetzlich!«, rief das Mädchen mitfühlend aus.
    Sanchia hob betreten die Schultern. Was hätte sie auch sagen können? Dass sie als Gattin des hochdekorierten, steinreichen Lorenzo Caloprini daran gewöhnt war, ihre Sachen selbst zu stopfen, ihr Haar eigenhändig zu waschen, ihre Mahlzeiten selbst zu kochen, und dass sie sich nicht einmal scheute, ihren Nachttopf selbst auszuschrubben, sofern ein solcher überhaupt vorhanden war?
    Dass sie während der Reise nur zweimal die Kleidung gewechselt hatte, ließ sie ebenfalls unerwähnt, wahrscheinlich wäre das Mädchen dann in Ohnmacht gefallen vor Entsetzen. Immerhin schienen die hiesigen Gastgeber, wer immer auch im Vatikan diese Rolle innehatte, aufmerksam genug, ihr eine Zofe zu schicken.
    »Ihr braucht als Erstes ein heißes Bad«, sagte das Mädchen entschieden.
    »Hat Lorenzo Euch geschickt?«, fragte Sanchia hoffnungsvoll. »Hat er vielleicht erwähnt, wann es Abendessen gibt?«
    Das Mädchen krauste die Nase. »Das Mahl, zu dem Seine Heiligkeit sich mit seinen Gästen zusammensetzt, ist allseits gefürchtet.«
    Sanchia erschrak. »O mein Gott! Er wird doch nicht … ich meine, doch nicht bei völlig unschuldigen, unbeteiligten …«
    Die Zofe brach in Kichern aus. »Gift? Beim päpstlichen Abendessen? Nun ja, manch einer möchte es unterstellen.« Sie hörte auf zu lachen und wurde nachdenklich. »Sicherlich habt Ihr auch von den gemeinen Gerüchten gehört, die Seiner Heiligkeit den Giftmord am Oberhaupt der Orsini und seinem Sohn unterschieben wollen. Seid Ihr deshalb so außer Euch?«
    »Nein«, stammelte Sanchia entsetzt.
    Die Zofe zuckte die Achseln. »Wie dem auch sei. Meine Äußerung zielte allein auf den Umstand, dass das Menü bei Seiner Heiligkeit, ob mit oder ohne Gäste,

Weitere Kostenlose Bücher