Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
immer nur einen Gang umfasst. Einen einzigen«, hob sie mit Betonung hervor. »Die meisten Würdenträger finden das sehr, sehr ärmlich und völlig inakzeptabel. Damit müssen sich nicht mal Mönche eines Bettelordens begnügen. Folglich sind die Mahlzeiten mit Seiner Heiligkeit nicht unbedingt beliebt.«
»Nun, dieses Problem habe ich nicht«, sagte Sanchia erleichtert. »Es gab Zeiten, da war ich froh, wenn ich überhaupt was zwischen die Zähne kriegte.«
»Wart Ihr krank?«, fragte die Zofe betroffen.
»Ähm … Sozusagen.«
Sie folgte der jungen Zofe in ein prachtvoll ausgestattetes Gemach, in dem ein gewaltiger dampfender Badezuber stand. Die Vorhänge waren zugezogen, und überall brannten Kerzen. Sanchia kam sich vor wie in einem türkischen Harem. Nicht, dass sie je einen gesehen hatte, aber es konnte dort nur so aussehen.
Kostbar gekleidete Dienerinnen eilten geschäftig umher und brachten stapelweise Leinentücher und frische Gewänder. Eine von ihnen stellte weitere brennende Kerzen auf, eine andere streute duftende Kräuter auf die Kohlenbecken neben dem Zuber, und eine dritte fing kommentarlos an, Sanchia beim Auskleiden zu helfen.
Sie kam sich ein wenig albern vor, weil sie damit immer ohne fremde Hilfe sehr gut zurechtgekommen war – abgesehen von den Fällen, in denen Lorenzo, von Lust übermannt, ihr die Kleider vom Leib gerissen hatte.
Daran fühlte sie sich unwillkürlich erinnert, während die eifrige junge Frau sie bis auf das Unterhemd auszog. Als ihr dieses auch noch abgestreift werden sollte, sträubte sie sich, doch die blonde Zofe, die sie hergebracht hatte, meinte nur lächelnd, sie müsse sich keine Sorgen um die Schicklichkeit machen.
»Ihr bekommt selbstverständlich ein maurisches Hemd zum Baden.«
Das maurische Hemd entpuppte sich als gazeähnlicher Umhang mit einer Öffnung für den Kopf. Sobald sie in das warme, von duftenden Ölen gesättigte Wasser gestiegen war, legte es sich eng an den Körper und wurde so durchsichtig, als wäre sie nackt. Doch Sanchia genoss das herrlich heiße Bad viel zu sehr, um sich darüber Gedanken zu machen. Es gab sogar, was für eine sündhafte Verschwendung, weiche Kissen, auf denen sie sitzen und an die sie ihre Schultern lehnen konnte. Seufzend ergab sie sich diesem Traum von einem Bad.
Eine der anderen Zofen zog ihr die Haube vom Kopf und löste ihr das Haar, bis es in lockeren Flechten über einem anderen, kleineren Zuber hing, der hinter der Wanne stand. Sanchia stöhnte vor Behagen, als ihr Wasser über den Kopf geschöpft und mit einer sanften Massage das Haar gewaschen wurde. Die Prozedur wurde wiederholt, und wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte es bis zum nächsten Morgen so weitergehen können. Sie gewann einen ungefähren Eindruck davon, was es damit auf sich hatte, reich und verwöhnt zu sein. Bisher hatte sie davon noch nicht viel mitbekommen, denn nach ihrer Hochzeit Ende letzten Jahres hatte sie sich geweigert, in die Ca’ Caloprini zu ziehen. Nicht, dass Lorenzo es von ihr verlangt hätte – sie hatte es vorsorglich bereits vor der Eheschließung klargestellt. Er hatte nicht weiter nach den Gründen gefragt, sondern sie zu ihrem neuen Heim gebracht – dem uralten Palazzo, der von Anfang an ihr Refugium gewesen war. Lorenzo hatte ihn gekauft und so weit herrichten lassen, dass man hervorragend darin leben konnte. Im Vergleich zu ihrem kleinen Häuschen beim Arsenal war es jedenfalls der schiere Luxus, obwohl Lorenzo behauptet hatte, es sei nur ein Provisorium, bis ihr eigenes Haus fertig wäre, wo er ihr, so seine Worte, ein angemessenes Leben bieten würde. Sanchia hatte sich darüber keine rechten Vorstellungen machen können. Bis heute.
Der Duft des Badeöls, das warme Wasser, der würzige Rauch von den Kohlenbecken, das matte Licht der überall im Raum verteilten Kerzen – all das versetzte sie in eine traumgleiche, unwirkliche Stimmung, sodass sie es zuerst nicht richtig mitbekam, wie die blonde Zofe zu ihr in die Wanne stieg.
Sie riss die Augen auf und setzte sich aufrecht hin, die Hände vor der Brust verschränkt.
»Entspannt Euch, ich werde Euch gewiss nicht stören«, sagte das Mädchen lächelnd. Das lange Haar hatte sie unter einem glitzernden Netz aus Golddraht zusammengerafft, und sie hatte kein Hemd an, sondern war nackt, wie Gott sie geschaffen hatte. Ihr Körper war herrlich, mit schlanker Taille, fest gerundeten Hüften und den straffen, hoch angesetzten Brüsten einer jungen Venus. Sanchia
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