Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
Vom Netzwerk:
Angst um unsere Liebe erpresst, nur um mir mein Geheimnis zu entreißen!« Nackt und mit geballten Fäusten stand sie da, und ihr immer noch tränennasses Gesicht war eine einzige Anklage. Siedender Zorn sprach aus ihrer Miene, und dann warf sie ihm Schimpfworte an den Kopf, die ihm den Mund sperrangelweit offen stehen ließen. Selbst in den verrufensten Hafenspelunken hatte er nicht solche Ausdrücke gehört.
    »Du lieber Himmel, wo hast du das denn gelernt?«, fragte er perplex, als sie zwischendurch Luft holen musste.
    »Ich hasse dich!« Sie wandte sich ab und stolzierte auf die spanische Wand zu, hinter der sich ihre Kleidung befand.
    Er genoss den kurzen Ausblick auf ihre Hinterbacken und räusperte sich. »Ich wusste gar nicht, dass du solches Temperament hast.«
    Sein Versuch, versöhnliche Töne anzuschlagen, verfing nicht bei ihr. Die Geräusche hinter der hölzernen Wand ließen vermuten, dass sie sich hastig und mit wütenden Bewegungen ankleidete. Als sie wieder zum Vorschein kam, trug sie eines ihrer braunen Kleider und ihre unauffällige Haube, ihre übliche Aufmachung, in der sie wie die brave Tochter eines biederen, nicht allzu betuchten Kaufmanns wirkte.
    »Wo willst du hin?«, fragte er, als sie eilig zur Tür strebte.
    »Essen«, gab sie kühl zurück. »Zufällig bin ich völlig ausgehungert.«
    Er seufzte und stellte sich zwischen sie und die Tür, bevor sie einfach so verschwinden konnte.
    »Du kannst abends nicht allein ausgehen.«
    »Ich suche Ercole oder Tsing. Sie können nicht weit sein.«
    »Bis du sie in einer der vielen Kneipen gefunden hast, bist du schon dreimal überfallen worden.«
    »Ich habe Hunger!«, fauchte sie.
    Er sagte sich, dass ein Teil ihrer Verstimmung vielleicht mit dem versäumten Abendessen zusammenhing, doch diese Annahme war kaum mehr als ein frommer Wunsch, wie er bei ihren nächsten Worten erkennen musste.
    »Ich würde dich ja um deine Begleitung bitten, aber lieber sterbe ich den Hungertod, als dass ich mit dir den restlichen Abend verbringen würde!«
    Er zuckte zusammen. »Du bist mir wirklich böse.«
    Anstelle einer Antwort starrte sie ihn nur an. Ihre Augen schwammen in Tränen, und ihr Mund zitterte vor Kummer.
    Es schnitt ihm ins Herz, und es drängte ihn danach, sie zu umarmen. »Vielleicht würde es dir besser gehen, wenn du dich von mir trösten ließest.«
    »Auf diese Art von Trost verzichte ich!«
    »Und wenn ich dich einfach nur in den Armen halte und dich meiner Liebe versichere?«
    »Ebenso gut könnte ich eine Tarantel umarmen.«
    Er war gekränkt, aber er hielt es für einen Fortschritt, dass sie überhaupt mit ihm sprach. Wo Zorn vorherrschte, trat die Verletzung zwangsläufig in den Hintergrund. Alles andere würde sich hoffentlich bald wieder fügen.
    »Lässt du mich jetzt bitte durch?«
    »Auf keinen Fall. Aber keine Sorge, ich lasse nicht zu, dass du verhungerst oder in den Armen einer Tarantel schlafen musst.« Er deutete eine höfliche Verneigung an. »Ich werde dafür sorgen, dass dir gleich eine Mahlzeit gebracht wird. Und für die Nacht suche ich mir ein anderes Quartier.«
    Er war gegangen, bevor sie noch ein weiteres Wort äußern konnte. Sie überlegte, dennoch allein loszuziehen, doch das war kaum mehr als ein kurzer Impuls, denn sie sah ein, dass er Recht hatte. Auf den Straßen Roms war eine Frau abends nicht sicher. An allen Ecken lauerten Halsabschneider, und die Opfer nächtlicher Überfälle waren so zahlreich, dass kaum noch jemand es für nötig hielt, darüber zu sprechen. Raub und Mord gehörten ebenso wie die Köpfe auf der Engelsburg zum Alltag.
    Nach wenig mehr als einer halben Stunde brachte eine Zofe ein Tablett mit Brot, einer kalten Geflügelkeule, Käse, Trauben und Wein. In einem dampfenden kleinen Deckeltopf befand sich ein heißes Gericht. Alles schien frisch zu sein, und aus dem Topf duftete es so verführerisch, dass Sanchia fast aufgestöhnt hätte vor Gier. Sie hob den Deckel.
    »Rindfleisch mit grünen Bohnen und Speck«, sagte die Zofe hilfreich, nachdem sie hineingeäugt hatte.
    »Ist das aus der Palastküche?«, fragte Sanchia argwöhnisch.
    Die Zofe schüttelte den Kopf. »Euer Gemahl brachte es aus einer Trattoria her.«
    Sanchia nahm das Tablett dankend entgegen. Auf dem Bett sitzend, verschlang sie das Mahl bis auf den letzten Rest. Das Fleisch war herrlich zart, die Bohnen saftig und der Speck knusprig. Der Käse war cremig, das Brot weiß und weich. Aber so ausgehungert, wie sie vorhin

Weitere Kostenlose Bücher