Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
Ordnung sein! Niemals! Doch noch heute Nacht würde er dafür sorgen, dass Abhilfe geschaffen wurde.
Essensdüfte durchzogen das Haus, und Eleonora eilte mit federnden Schritten in Sanchias Küche hin und her. In der Pfanne brutzelten die Schweinekoteletts einträchtig neben den Spiegeleiern, auf den Holzbrettern ruhte in zarte Scheiben geschnittener Schinken, und das Brot, das sie gerade aus dem Ofen geholt hatte, war so knusprig, wie sie es sich vorher vorgestellt hatte. In der Vorratskammer hatte sie nicht viel Auswahl an Obst und Gemüse entdeckt. Bis auf ein paar runzlige Äpfel, einen zerzausten Kohlkopf, ein Bündel schlaffer Rüben und einen Sack Zwiebeln war kein Grünzeug zu finden. Auch Kräuter waren so gut wie nicht vorhanden.
Eleonora schüttelte missbilligend den Kopf. Sie war entschlossen, ein ernstes Wort mit der Köchin des Hauses zu reden. Mit gutem, reichlichem Essen hatte Sanchia es nie sonderlich gehabt, und nicht selten hatte sie es sogar ganz vergessen, bis dann irgendwann jemand, der etwas davon verstand, darüber nachsann, woher ihre schlechte Laune kam.
Nach langem Suchen fand Eleonora ein dürftiges Büschel getrockneten Salbei. In einer an die Vorratskammer angrenzenden Räumlichkeit gab es weitere Ingredienzien in Deckeltöpfen und Gläsern, und manche davon schienen tatsächlich gemahlene Kräuter zu sein, doch da die meisten rochen wie mumifizierter Unrat und vermutlich ebenso wie die vielen Krüge Essig allein irgendwelchen dubiosen medizinischen Zwecken dienten, zog sie es vor, eilig wieder in ihre gewohnten Gefilde zurückzukehren.
Sie hätte gern einige edlere Gewürze verwendet, doch die fernöstlichen Spezereien waren teuer und wurden meist verschlossen aufbewahrt. Das schien auch hier der Fall zu sein, denn sie fand keine.
Immerhin war für den Grundbedarf gesorgt. Es gab Fässer mit Pökelfleisch, säckeweise Mehl, eine reichliche Ausstattung an Salz und sogar Zucker, Honig, Speck- und Schinkenseiten, Salami und einen Korb mit Eiern und einen schönen großen Krug Apfelwein. Wenn sie es nicht schaffte, damit eine schmackhafte Mahlzeit zuzubereiten, verdiente sie es nicht, Sanchias beste Freundin zu sein.
Sie hatte ihr Bestes gegeben und begutachtete gerade das Ergebnis ihrer Bemühungen, als Tsing in der Küchentür erschien. »Vater da«, sagte er mit seiner drolligen Aussprache.
»Welcher Vater?«
»Von Herr.«
»Giovanni Caloprini?«
Tsing nickte. »Sehr unglücklich.«
Eleonora trocknete sich die Hände an der Schürze ab und eilte hinter Tsing her zum Landeingang, wo Giovanni Caloprini wartete.
Sie knickste leicht. »Onkel Giovanni! So spät noch unterwegs?«
Er nickte verzweifelt und sah sich gehetzt um. »Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte!«
Sie erschrak. »Mein Gott, was ist passiert?«
»Caterina … Ich fürchte, sie ist auf dem Weg hierher!«
Eleonora schwankte vor Entsetzen. »Aber sie ist doch …« Die Worte erstarben ihr auf den Lippen, als er hastig den Kopf schüttelte.
»Gelähmt? Das dachten wir die ganze Zeit, jeder von uns. Aber es stimmt nicht. Sie hat uns alle gründlich an der Nase herumgeführt!«
»Was ist passiert?«, rief Eleonora benommen aus.
»Ich kam nach Hause, und dann sah ich gerade noch, wie sie in ihrer Kammer verschwand, um sich umzuziehen. Sie trug ein … fragwürdiges Gewand und murmelte vor sich hin. Gott helfe mir … Sie sprach davon, Sanchia und das Kleine zu töten.«
»Du hättest sie doch zur Rede stellen können!«
Er schüttelte niedergeschlagen den Kopf. »Ich habe sie noch nie aufhalten können. Mein ganzes Leben lang nicht. Ich habe …« Er brach ab.
Eleonora sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Du hast Angst vor ihr?«
Er nickte mit bleichem Gesicht. »Ich wollte es nie wahrhaben, aber nachdem ich vorhin sah … Ich fürchte, sie ist tatsächlich verrückt. Und in diesem Zustand könnte sie vielleicht Dinge tun, die …« Er holte Luft. »Ich will nicht darüber nachdenken. Aber ich musste Sanchia warnen und habe mich deshalb beeilt, meiner Frau zuvorzukommen.«
Eleonora blickte sich gehetzt um. »Wir müssen die Büttel rufen!«
»Das erledige ich. Aber vorher bringe ich Sanchia und das Kind in Sicherheit. Falls du Angst hast, solltest du vielleicht lieber nach Hause gehen.«
Sie dachte kurz nach, dann schüttelte sie entschieden den Kopf, obwohl sie kaum noch klar denken konnte vor Furcht. »Ich bleibe bei Sanchia. Auf keinen Fall lasse ich sie jetzt im Stich!« Sie
Weitere Kostenlose Bücher