Die Mächte des Feuers
beste Tarnung, die es gibt«, knurrte sie und wurde unruhig; sie fühlte sich immer mehr in die Enge getrieben.
»Ich arbeite für Hamsbridge & Coopers Insurance, die ihre Mitarbeiter durchleuchten und nur diejenigen nehmen, die eine hervorragende Ausbildung und einen einwandfreien Leumund besitzen«, zählte er stolz und verletzt zugleich auf. »Denken Sie, die hätten nichts gemerkt?«
Damit nährte er die stillen Zweifel, die Silena schon vorher gehegt hatte. Nein, Onslow Skelton konnte kein gefährlicher Extremist sein. Sie schaute zum Russen. Er schon eher.
»Ich weiß, was Sie eben dachten«, grinste der Fürst und fuhr sich durch die langen Haare. »Ich muss Sie enttäuschen, Großmeisterin. Wenn Sie den Geheimdienst Seiner Majestät des Zaren fragen, so wird er Ihnen sagen, dass ich, Knjaz Grigorij Wadim Basilius Zadornov, vieles bin. Dass ich viele Frauen und deren Betten kenne, dass ich Männer in Duellen getötet habe…«
»Danke, ich kenne Ihre Vita, Fürst, und verzichte auf diese Angeberei«, bremste sie ihn.
»Nun, wenn dem so ist, wissen Sie, dass ich kein Drachenfreund bin.« Zufrieden lehnte er sich wieder zurück.
Seiner Ansicht nach hatten Skelton und er das Wortduell eindeutig gewonnen. Er rieb sich über die behaarte Brust. »Aber ich bin gespannt, diesen Herrn vom Geheimdienst kennen zu lernen, der Ihnen so viele falsche Dinge über mich und den verehrten Mister Skelton berichtet hat. Aus einem mir nicht nachvollziehbaren Grund hat er gelogen.«
»Es sei denn, er wäre nicht vom SIS«, fügte Skelton hinzu.
Silena weigerte sich, das auch nur ansatzweise anzunehmen.
19. Januar 1925, Edinburgh, Provinz Schottland, Königreich Großbritannien
Silena überlegte fieberhaft. Sie war dazu geboren, um in einem Flugzeug die Teufel am Himmel zu verfolgen, aber nicht, um schwierige Spekulationen anzustellen. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, während Zadornov und Skelton sie anschauten und warteten.
Der Blick des Russen wanderte an ihr herab, richtete sich auf ihre Brüste.
»Lassen Sie das!«, sagte sie drohend.
»Weswegen? Ich finde Gefallen daran.«
»Sie sind ziemlich vulgär für einen Fürsten.« Silena zog den Mantel enger.
Zadornov verstand die Geste und lachte laut los. »Ach, Sie dachten doch wohl nicht, ich begehrte Sie?« Er winkte ab. »Seien Sie unbesorgt. Es geht um Ihren Schmuck. Ich wundere mich schon die ganze Zeit über den Anhänger, Großmeisterin«, erklärte er und zeigte darauf. »Er leuchtet wie eine Glühbirne. Wie geht das vor sich?«
Silena war erleichtert und seltsamerweise beleidigt. Er hatte es so selbstverständlich abgelehnt, sie als Frau attraktiv zu finden, dass es sie verunsicherte. Sie war beileibe nicht über die Maßen hübsch, aber gewiss auch nicht hässlich, sodass sie seine Reaktion als Frechheit betrachtete. »Ich … er leuchtet, wenn ein Drache in der Nähe ist«, erklärte sie abgelenkt und warf Zadornov böse Blicke zu, die er gar nicht zu deuten wusste. »Es ist ein Splitter von Sankt Georgs Lanze.«
»Ein Drache?« Skelton sah über die Schulter aus dem Fenster. »Dieses fünfköpfige Scheusal aus London?«
»Um welchen es sich handelt, sagt mir mein Splitter nicht.« Wie gern hätte Silena nachgefragt, warum der Russe sie nicht anziehend fand. Aus reiner Neugier, natürlich. Doch diese Blöße wollte sie sich nicht geben, weil sie damit erstens ihre Verunsicherung eingestanden und zweitens den Verdacht geschürt hätte, dass sie den anmaßenden Kerl interessant fand.
Zadornov sah sie mit den durchdringenden blauen Augen an und grinste, als könne er ihre Gedanken lesen.
»Was unternehmen wir demnach, Großmeisterin?«, erkundigte er sich. »Sie werden sicher einen Plan haben, um das Scheusal zur Strecke zu bringen.«
»Wie war Ihr Plan?«, konterte sie und sah zu Skelton, der immer noch über Edinburghs Dächer schaute. Er wirkte ängstlich. »Mister Skelton?«
»Was?« Irritiert wandte er sich ihr zu. »Verzeihung, aber für einen Versicherungsdetektiv ist das Ganze sehr nervenaufreibend. Abwechslung ist gut und schön, aber seit dem Tag im Adlon …« Er atmete tief ein. »Wir, der Fürst und ich, wollten uns die Sicherheitsvorkehrungen anschauen, denn ich halte es für wahrscheinlich, dass die mordenden Räuber auch hier zuschlagen werden. Ich wollte dem Kurator empfehlen, die Queen um zusätzliche Soldaten zum Schutz zu bitten.«
»Und dann?«
»Würden wir einige der Bandenmitglieder lebend in die Finger bekommen.«
Weitere Kostenlose Bücher