Die Mächte des Feuers
und…«
Der Mann machte eine Pause, weil er vermutlich in den Unterlagen wühlte.
»…Sàtra«, ergänzte Silena an seiner Stelle.
»Richtig, Großmeisterin!«, kam es überrascht.
»Was haben wir über sie im Archiv?«
Das Seufzen am anderen Ende der Leitung fiel lauter aus als gewollt. »Bleiben Sie dran, Großmeisterin.«
Silena schaute sich in der Lobby um, die eben von Zadornov betreten wurde. Er trug einen weißen Zylinder, der einen starken Kontrast zu den langen schwarzen Haaren bildete, und dazu wieder seinen Zobelkragenmantel. Auch auf den Gehstock und eine grün gefärbte Brille hatte er nicht verzichten wollen.
Sie beobachtete seine Wirkung auf Frauen und bemerkte, wie sich eine Gruppe von Damen in ihrem Alter zu dem Russen wandte und wie sie gleich darauf die Köpfe zusammensteckten und tuschelten. Er blickte über die Gläserränder, lächelte und tippte mit dem Stockgriff gegen den Zylinderrand, ehe er sich Skelton zuwandte. Die Damen kicherten und wurden von ihrer älteren Begleiterin wie eine Gruppe junger Gänse zum Fahrstuhl gescheucht. Sie warf dem Russen sehr abweisende Blicke zu, was er mit einem weiteren Lächeln quittierte.
»Nichts, Großmeisterin.«
Silena schrak auf, als sie die Stimme des Mannes hörte. »Wir haben keine sonstigen Einträge über sie?«
»Nein, tut mir leid. Es wurden Ladungen mit Drachenteilen abgefangen, die angeblich für sie bestimmt waren. Leider ohne einen Beweis.«
»Steht in den Berichten eine Anmerkung über Dracheneier oder uringelbe Steine oder etwas in dieser Art?«
Sekunden verstrichen. »Ja. Hier ist vermerkt, dass sich in einer Ladung ein wachteleigroßer, stinkender Gegenstand befunden habe, der aber im Verlauf der Untersuchung stark in Mitleidenschaft gezogen und durch die Proben zerstört wurde.«
»Danke. Ich rufe später noch einmal an.« Sie legte auf, wählte die Nummer des schottischen Kurators und bereitete ihn auf den Besuch vor, ehe sie zu den Männern ging.
»Und? Was haben Sie in der kurzen Zeit herausgefunden, Großmeisterin?«, wollte Skelton wissen.
»Es gibt durchaus Menschen, die sich für den Erwerb und den Besitz von Drachensteinen erwärmen, und zwar so sehr, dass sie dem Officium aufgefallen sind«, meinte sie und setzte sich. »Allerdings sind drei von ihnen schon tot. Verstorben unter mysteriösen Umständen.« Sie nannte die Namen, blickte Zadornov an. »Diese Menschen fallen eindeutig in Ihr Ressort, Fürst. Kannten Sie die Leute?«
Er blickte sehr ernst. »Irmser und Padasamam waren zwei mäßige Hellseher mit durchaus akzeptablen Erfolgen, jedoch ohne die Treffsicherheit in ihren Vorhersagen, wie sie mir vergönnt ist«, antwortete er langsam. Man sah ihm an, dass ihn das Gehörte beschäftigte. »Wir trafen uns ein- oder zweimal, das ist noch gar nicht so lange her.«
Silena fixierte ihn und hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass er ihrem Blick auswich. »Haben Sie eine Vorstellung, wie der Name Arsenie Sàtra da hineinpasst, Fürst?«
»Nein, habe ich nicht.« Er hob den Kopf, schaute an ihr vorbei. »Aber wir können sie fragen. Sie kommt eben zur Tür herein.«
IX.
»Die Linie Ignatius
Ausgehend von Ignatius von Loyola und dem Zeichen des fla m menden Herzens, haben sich die Nachfahren dem Nahkampf ve r schrieben, indem sie Drachen mit Feuer bekämpfen. Dazu besi t zen sie ein großes Arsenal geheimer Substanzen, die schnell und heiß brennen. Allerdings wirkt diese Vorgehensweise nur bei jüngeren Drachen, deren Hornschuppen noch nicht die volle Härte erlangt haben. Dabei kam es einmal zu einem schreckl i chen Zwischenfall, als ein brennender Drache noch drei Kilom e ter weit lief, ehe er verging. Der Brand vernichtete siebzehn He k tar Wald und das Dorf Kleinheim. Seitdem wird diese Linie kaum mehr eingesetzt.«
aus der Serie ›Drachentöterinnen und Drachentöt er im Verlauf der Jahrhunderte‹
Im ›Münchner Tagesherold‹, Königlich-Bayerisches Hofblatt vom 1. Juni 1924
19. Januar 1925, Edinburgh, Provinz Schottland, Königreich Großbritannien
Arsenie Sofie Sàtra fegte wie ein weißer Wirbelwind in die Lobby.
Über dem hochgeschlossenen, weißen und sehr eleganten Kleid trug sie ein offen stehendes helles Cape gegen die Kälte. Die hellen Haare waren unter einer weißen Pelzkappe verborgen, die Hände steckten in einem Muff. Ihre Miene wirkte entschlossen, die Stirn lag in Falten. Ihr folgten zwei Diener in langen schwarzen Wollmänteln.
Natürlich schaute sich
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