Die Mächte des Feuers
hob ihre Teetasse. Zaudern, Überheblichkeit und Wollust saßen um sie herum, und sie fragte sich, welche Eigenschaften sie selbst wohl am besten beschrieb. Gehorsam schied aus, ebenso Tugend – Überzeugung vielleicht? Sie betrachtete den Verband an ihrer Hand, die Brandwunde war mit Salbe behandelt worden und tat kaum mehr weh. Aber er verhinderte, dass sie mit der Münze spielen konnte.
Bis auf Skelton trugen sie noch immer ihre angesengte Kleidung, was dazu führte, dass sie den Brandgeruch in das intakte Gebäude getragen hatten. Arsenie bemühte sich um Haltung und sah trotz des derangierten Zustandes noch immer sehr mondän aus. Zadornov trug nur noch Hemd, Hose und Stiefel, den Rest hatte er einem Bettler geschenkt, den sie auf dem Weg zum Officium passiert hatten. Skelton dagegen hatte die Gelegenheit genutzt, um kurz nach Hause zu verschwinden und sich umzuziehen. Er sah wieder kariert aus.
»Ich weiß, dass ein britisches Sprichwort sagt: Abwarten und Tee trinken«, hob Zadornov als Erster die Stimme. »Aber mir ist das zu wenig. Wir haben eine Mission, Großmeisterin.«
»Das wollte ich auch eben einwerfen«, meinte Skelton unerwartet schnell, wo er doch sonst immer gern abwartete, was die anderen zu sagen hatten. »Versuchen wir einmal, eine Systematik in die Angelegenheit zu bringen.« Er schaute zu Silena. »Was wissen wir denn überhaupt über die Drachensteine, Großmeisterin? Weswegen sind sie derart wertvoll?«
»Ein Experte des Officiums stößt gleich zu uns.« Silena nickte zu Madame Sàtra. »Sie zuerst, Madame. Sagen Sie Ihrem neuen Auftraggeber, warum Sie an den Artefakten interessiert sind. Dabei möchte ich nicht ausschließen, dass Sie sogar an den Überfällen auf die Museen beteiligt sind.« Sie sah über den Rand der Tasse zu Skelton. »Das nenne ich paradox, oder? Sie haben eine Frau angeheuert, die unter Umständen Ihren Arbeitgeber bestohlen hat.«
»Wenn ich den Weltenstein besäße, würde ich mich weder im Herzen des Empires noch im Officium befinden«, merkte Madame Sàtra an und steckte sich eine Zigarette an. Sehr elegant deutete sie auf die Bücher, die vor Silena lagen. »Ich sehe doch, dass Sie den Megenberg und den Gessner vor sich liegen haben. Warum lesen Sie nicht einfach vor?«
»Ich bin neugierig zu hören, was Sie erfahren haben.«
»Nennen Sie mich doch Arsenie, Großmeisterin. Auch der Fürst und ich nennen uns bereits beim Vornamen…«
Sie hob ablehnend die Hand. »Nein danke. Ich gehöre nicht zur Theosophenpartei oder der Spiritistenvereinigung.«
Die Französin lächelte süffisant. »Nun, auch die Kirche beruht auf Glauben, nicht auf Wissen. Demnach sind unsere Wege nicht so verschieden. Dass meine Geister Kräfte besitzen, habe ich bereits bewiesen.«
»Ein netter Versuch, von der eigentlichen Materie abzulenken, Madame, aber zurück zur Sache: Drachensteine«, parierte Silena ohne Regung.
Sie blies einen Rauchkringel in die Luft. »Ich weiß nicht viel darüber. Sie wurden früher, als es noch ganz alte Ungeheuer gab, gelegentlich in deren Schädel gefunden, mal waren sie faustgroß, mal so klein wie eine Murmel.
Anscheinend bildeten sie sich erst mit fortgeschrittenem Alter der Drachen, und dann wiederum auch nicht bei jedem Exemplar.« Sie schaute zu Skelton. »Allerdings sind sie sehr schlecht zu konservieren, wie man herausfand. Sie zerfallen und stinken furchtbar.«
Silena erinnerte sich sehr genau an den beißenden Geruch.
»Und warum sollte man an diesen Artefakten interessiert sein?« Zadornov verfolgte die Unterhaltung zwischen den beiden Frauen aufmerksam.
»Sie sind selten und damit kostbar«, schätzte Skelton.
»Und der Besitz verstößt gegen das Gesetz«, fügte Silena hinzu. Sie zog die Uniformjacke aus und hing sie über den Stuhl.
Der Russe lachte auf. »Es war mir klar, dass Sie das sagen mussten, Großmeisterin. Das mag alles sein, was die Seltenheit anbelangt, aber die Drachen werden diese Last im Kopf nicht zum Spaß spazieren getragen haben. Der Sinn, meine Damen?«
»Der Sinn«, meinte Arsenie, »hat sich bislang noch keinem Gelehrten erschlossen. Manche vermuteten eine krankhafte Ausbildung einer Drüse, andere eine ins Gewebe eingeschlossene Geschwulst.« Sie zeigte mit der glühenden Zigarette auf das Buch; die Glut beschrieb eine leuchtende Bahn. »Dabei gab es früher schon Hinweise.« Sie legte den Kopf in den Nacken und nahm einen theatralischen Zug. »Sie sind dran, Großmeisterin.«
Es klopfte, und ein
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