Die Mächte des Feuers
Mannschaft wartet auf mich, damit ich ihn jagen und stellen kann.«
Wieder sahen sie sich an, in den von Ruß und Asche verdreckten Gesichtern stand Ratlosigkeit. »Ich weiß nicht…«
»Sie sind mit Sicherheit tot«, warf ein Heizer ein und stützte sich auf die Schaufel. »Wir haben doch gesehen, was sich bei den Crags abgespielt hat. Von denen lebt keiner mehr.« Er trat nach einem Kohlestückchen und beförderte es in die offene Klappe. »Wir sollten zusehen, dass wir von hier verschwinden, ehe die Gleise verschüttet oder durch die Hitze zu stark verzogen sind.«
»Wovon redet der Mann? Von wem haben Sie die Anweisung erhalten, Sir?«, fragte Silena barsch.
»Von einem Geheimagenten Ihrer Majestät, Queen Viktoria der Zweiten«, kam es wie aus der Pistole geschossen aus dem Mund des Lokführers. »Sein Name ist Eris Mandrake, Großmeisterin, und er ist mit einer Einheit von Drachenjägern eingetroffen, um … nun ja, den Drachen zu töten.« Er deutete zu Arthur's Seat, auf dem dichter Rauch aufstieg. »Sieht aber nicht gut aus.«
Silena schaute zu den Hügeln und musste schwer schlucken. Er hatte sie nicht allein gelassen, sondern Verstärkung geholt. Zweifel an ihren Fähigkeiten oder Auftrag der Queen? Auf die Schnelle konnte er nur Havock's Hundred engagiert haben. Oder hatte er die Gruppe aus einem anderen Grund auf den Hügel geführt? Die Zweifel an der Echtheit des Agenten konnte sie schwer leugnen. Wie auch? Je eher sie in der Saint saß, desto schneller konnte sie in den Kampf auf dem Hügel eingreifen. Danach würde sie Eris zur Rede stellen. »Volle Kraft zurück, Sir«, sagte sie mit fester Stimme. »Bringen Sie mich und die Flüchtlinge aus Edinburgh. Ich übernehme die Verantwortung dafür.«
»Jawohl, Großmeisterin«, salutierte der Zugführer und gab Anweisungen an Mechaniker und Heizer, löste die Bremsen und ließ die Zugmaschine rückwärts anrollen.
Silena begab sich auf den schmalen Steg, der rund um die Lok führte, und blickte auf das brennende Edinburgh. Laut erschallte die Signalpfeife des Zugs, und die letzten Unentschlossenen rannten herbei, um irgendwo einen Platz zu ergattern, und war er noch so klein.
»Achtung!«, schrie eine Frau, die auf dem Tender saß, und deutete auf die Gebäude längs der Gleise.
Eine Hauswand bekam Risse, erste Steine fielen aus der Mauer, dann kippte die gesamte Front nach vorn. Sie fiel rumpelnd auf einen der Wagen und riss die Passagiere, die sich auf dem Dach niedergelassen hatten, gleich einer steinernen Woge mit sich.
Aber der Zug ließ sich nicht aufhalten, die Maschine legte an Kraft zu und schob sich unerbittlich die Schienen entlang. Mit dem Einsturz des brennenden Hauses ging eine gewaltige Wolke aus Staub und glühender Asche einher. Sie verdeckte gnädigerweise die traurige und zugleich wütend machende Sicht auf die untergehende Stadt.
Silena glaubte kurz, ihren Namen vernommen zu haben und ein paar Gestalten zu sehen, die der Lok nachliefen; aber als sie angestrengt in den Rauch schaute, war nichts mehr zu erkennen.
XI.
»Ich benötige das Officium nicht. Warum? Weil ich keine Dr a chen gesehen habe. Noch niemals in meinem Leben. Das ist alles nur Propaganda, um uns Angst zu machen. Die Zeitungen stecken mit ihnen unter einer Decke, und Bilder kann inzwischen jeder fälschen. Und das Kino verdummt uns alle.«
Wilhelmina von Staut, Freifrau von Haspenweiler aus dem B e richt ›Das Officium – Die heimliche Macht‹
In ›Kommunistische Wahrheit‹ vom 6. September 1924
21. Januar 1925, Hauptstadt London, Königreich Großbritannien
Silena sah in die Gesichter der drei Menschen, die sie in die Niederlassung des Officium Draconis Britannica begleitet hatten und nun zusammen mit ihr im Besprechungszimmer saßen – einem kargen Raum mit einem großen Kreuz an der Wand, Unmengen von Regalen voller Ordner, einem Telegrafen und einem Telefon auf dem Tisch. Abgesehen von den Bildern des Papstes und des Erzbischofs Kattla fehlte jede Art von Schmuck. Was die einen trist nannten, war für die anderen effizient.
Silena ließ den Blick über die Anwesenden schweifen. Onslow Skelton, der schmale Versicherungsdetektiv, Madame Arsenie Sofie Sàtra, das französische Medium, Fürst Grigorij Wadim Basilius Zadornov, der russische Hellseher – alle ratlos und doch durch die Vorkommnisse der letzten Wochen miteinander verbunden. Nicht zu vergessen sie selbst, die letzte Nachfahrin des heiligen Georg.
Silena seufzte und
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