Die Mächte des Feuers
herausfinden.
Unverzüglich.
»Verzeihung, Exzellenz, aber ich muss wieder weg«, entschuldigte sie sich und bemerkte jetzt erst, dass der Erzbischof die ganze Zeit über gesprochen hatte.
»Nicht eher, bis wir uns darüber einig geworden sind«, gab er zurück und zwang sie mit einer Geste auf den Stuhl zurück.
»Worüber, Exzellenz?«
Ein tadelnder Blick traf sie. »Kann es sein, dass ich zu einer Wand gesprochen habe?«
»Verzeihung, Exzellenz. Ich war nicht bei der Sache.« Sie verneigte sich.
»Dann werden Sie jetzt besser zuhören. Ich sagte: Keine Stellungnahmen gegenüber der Presse. Wenn Sie Drachenjäger sehen, gehen Sie ihnen aus dem Weg. Es darf keine Auseinandersetzungen mehr geben, bis die Vorwürfe gegen uns entkräftet wurden. Wir haben bereits Leute nach Edinburgh gesandt, die sich darum kümmern. Konzentrieren Sie sich auf den Weltenstein, Großmeisterin. Um den schwarzen Drachen kümmern wir uns.«
»Ja, Exzellenz.« Sie stand auf. »Darf ich gehen?«
Kattla atmete langsam ein. »Das Officium hat schon einige Krisen überstanden, doch niemals war es bedroht wie in diesen Tagen. Selbst die Vernichtung unseres ersten Hauptquartiers 1581 in Avignon durch die Rotte der braunen Flugteufel war weniger gravierend als das, was derzeit geschieht.« Er betrachtete die Wände, seine Stimme senkte sich. »München ist seitdem eine unbezwungene Festung – dennoch sind die Mauern nicht sicher. Nicht mehr. Das müssen wir schleunigst ändern.« Er winkte huldvoll. »Ja, gehen Sie, überschwängliche Jugend, aber vergessen Sie mir dabei die Disziplin nicht.«
Sie verneigte sich und eilte hinaus. Als sie durch das Zimmer des Akten sortierenden Sekretärs eilte, fiel ihr etwas ein, und sie blieb auf der Schwelle stehen. »Kleinhuber, wo ist eigentlich die Statue im Eingang hingekommen?«, fragte sie hastig.
»Gestohlen, Großmeisterin. Von denselben Leuten, die auch Großmeisterin Goara getötet haben«, antwortete er ihr und schaute über die Schulter. »Unfassbar, nicht wahr?«
»Aber…« Silena stützte sich gegen den Türrahmen. »Aber die Statue hat bestimmt zwei Tonnen gewogen! Wie ist das vonstatten gegangen?«
»Das finden wir wohl nur heraus, wenn wir die Mörder finden und befragen«, entgegnete er bedauernd. »Fast könnte man meinen, es gehe mit Hexerei zu, Großmeisterin.«
»Danke.« Sie begab sich auf den Weg ins Café. Ohne dass sie es wollte, dachte Silena an einen elfjährigen Jungen und zwei schwebende Klaviere um sich herum. Hexerei wurde heutzutage Levitation genannt.
21. Januar 1925, München, Königreich Bayern, Deutsches Kaiserreich
Onslow Skelton hatte davon abgesehen, eine weitere Tasse Tee zu bestellen, und orderte stattdessen eine ganze Kanne. Zadornov ließ sich sein Essen schmecken, eine Schweinshaxe mit Knödel und eine Maß Starkbier aus den Kellern des Klosters Andechs, während Arsenie die Flocken betrachtete, die sich auf dem Marienplatz sammelten. Da der Fürst sein Mahl schweigend einnahm und der Detektiv sich in die Bücher vergraben hatte, gab es keinen Gesprächspartner für sie. Was dazu führte, dass sie sich Gedanken machte. Über die verstorbenen Medien.
Die Suche nach dem Weltenstein war zu einer lebensgefährlichen Angelegenheit geworden. Das hatte sie so niemals vermutet. Sicher bewegte sie sich mit dem Sammeln von Drachensteinen in der Zone der Gesetzlosen, was sie jedoch sehr aufregend fand. Besser gesagt: aufregend gefunden hatte. Arsenie würde es gegenüber der Großmeisterin niemals zugeben, doch sie fürchtete um ihr Leben. Der Fünfender beherrschte Kräfte, die sie überraschten. Wenn alle Drachen derart starke Geistesmacht besaßen, war es ein Wunder, dass nicht viel mehr Spiritisten ums Leben gekommen waren. Sie war nicht die Einzige, die danach trachtete, eine Drachenseele zu rufen und zu beherrschen.
Sie fröstelte. Die gelben Augen, der Angriff im Adlon, die wesentlich aggressivere Attacke im Hospital – zuerst eine Warnung, dann der Versuch, sie aus dem Weg zu räumen. Der Tod…
»Das bedeutet, dass der schwarze Drache den Weltenstein auch nicht besitzt, Arsenie. Für uns ist das ein gutes Zeichen, denn er sieht in uns starke Konkurrenz.«
Sie drehte den Kopf zu Grigorij, der sie unvermittelt, aber so passend zu ihren Überlegungen angesprochen hatte, dass sie beinahe vermutete, er verstehe sich auf Gedankenleserei. »Das hat dummerweise für uns zur Folge, dass er uns umbringen möchte, lieber Grigorij.« Sie bestellte sich
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