Die Mächte des Feuers
sehr dankbar.
»Und vielleicht geben Ihre Bücher uns noch mehr Hinweise auf die Hofburg«, munterte ihn Grigorij weiter auf.
»Das ist wohl ziemlich leicht. Ich nehme an, dass ein solches Gebäude bewacht wird. Richtig bewacht. Wie sollen wir in den Keller gelangen?« Er sah zwischen ihm und Arsenie hin und her.
»Ihr Eifer in allen Ehren, doch noch sind wir nicht zu einhundert Prozent sicher, dass wir im schönen Innsbruck an der richtigen Adresse sind.« Grigorij zeigte auf die Tasche. »Bücher, lieber Mister Skelton. Finden Sie mehr für uns alle heraus.«
»Ich stelle mir eine ganz andere Frage: Was hat der österreichische Kaiser mit dem Weltenstein zu schaffen?«, meinte Arsenie und packte die Zigarette wieder ein. Ihr war nicht nach Entspannung, sie musste hellwach sein.
»Das letzte Mal, als ich Kaiser Franz Joseph sah, residierte er in Wien.« Grigorij bekam die Rosinen gebracht und schob sich eine Hand voll in den Mund, kaute sie und trank den Wodka. Anbietend hielt er das Schälchen mit den getrockneten Früchten in die Runde. »Die Hofburg in Innsbruck wird kaum mehr von der Herrscherfamilie genutzt.«
Onslow nahm sich von den Rosinen. »Der Kaiser ist doch uralt, oder?«
»Fünfundneunzig Jahre, Onslow. Und nach wie vor äußerst rege, wenn man seine fortgeschrittene Lebenszeit und die Tragödien bedenkt, die er durchlitten hat. Sein einziger Sohn und Thronerbe Rudolf tötete sich selbst, Kaiserin Elisabeth wurde ermordet, dann sein Neffe Franz Ferdinand und nicht zu vergessen der Krieg.« Arsenie prostete in die Luft. »Ein Mann von Größe.«
»Nun, das sehe ich nicht ganz so. Er hat den Krieg schließlich ausgelöst. Oder besser gesagt, seine Haltung gegenüber Serbien«, warf Grigorij ein. »Europa hätte sich das Ausbluten sparen können.«
»Aber lassen wir doch das Politische: Was will der österreichische Kaiser mit dem Weltenstein?«, stellte sie die Frage in den Raum.
Grigorij schaute überlegend an die holzvertäfelte Decke. »Wenn Drachensteine so viel vermögen, vielleicht verlängern sie auch das Leben eines Menschen?«
»Guter Ansatz«, stimmte sie ihm zu. »Sehr guter Ansatz, lieber Grigorij!«
»Wir sollten uns Pläne der Hofburg besorgen«, empfahl Onslow und schaute sich dabei um. Niemand saß nahe genug bei ihnen, um ihre Unterredung belauschen zu können. »Mich interessiert weniger, warum er ihn gestohlen hat, sondern ob der Stein dort wirklich zu finden ist.«
Arsenie trank von ihrem Kaffee. »Können Sie sich nicht im Namen Ihrer Versicherung Zugang verschaffen, Onslow? Immerhin handelt es sich dabei um Diebesgut von beträchtlichem Wert.«
Er lachte auf. »Verzeihen Sie, Madame Sàtra, aber das geht wirklich nicht. Nicht ohne Beweise. Außerdem habe ich keine Ahnung, ob es ein Gericht der Welt gibt, das mir das Recht zugestehen würde, die kaiserliche Hofburg auf den Kopf zu stellen.« Er senkte die Stimme. »Leider müssen wir uns benehmen wie Diebe, um das Recht wiederherzustellen.«
»Es ist beruhigend, endlich ein Ziel zu wissen.« Arsenie konnte dem Verlangen nach Nikotin und dem Haschischöl nicht länger widerstehen. Sie griff nach ihrer Handtasche. »Ich freue mich auf das Gesicht der Großmeisterin, wenn wir ihr sagen, dass wir…«
Onslow sah an ihr vorbei durch das Fenster, vor dem sich der Umriss einer gewaltigen Männergestalt aus dem Schneegestöber schob. Sie maß sicherlich mehr als zwei Meter, und die Schultern waren sehr breit. Sie rannte.
»Mister Skelton, Sie wirken plötzlich so abwesend?« Grigorij beugte sich nach vorn. »Steckt Ihnen eine Rosine im Hals?«
Onslow gelang es nicht, den Blick abzuwenden oder etwas zu sagen. Die Gestalt raste genau auf das Medium zu, und nichts wies darauf hin, dass sie anhalten wollte.
»Vorsicht, Madame!«, warnte Onslow und sprang auf, packte sie an der Schulter und zerrte Arsenie mit solcher Gewalt vom Stuhl, dass sie der Bewegung seines Arms folgen musste, als wäre sie nichts weiter als eine Puppe.
Grigorij stand ebenfalls auf, die Hand wanderte an den Griff seiner Pistole. »Was, bei allen Dämonen, ist das?.«
Jetzt, da die Gestalt unter das Vordach des Cafés gelangte und nicht mehr durch die Schneeflocken verborgen wurde, war sie deutlich zu erkennen: eine bizarre Mischung aus Mensch und Drache mit grün leuchtenden Augen, die sich just vom Boden abdrückte und gegen die Scheibe hechtete, während sich gleichzeitig ein Paar Schwingen auf ihrem Rücken entfaltete.
Vor dem Fenster wurde es
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