Die Mächte des Feuers
Wurmdrache!
Er maß geschätzte vierzehn Meter und hatte einen weißen, von kleinen Schuppen bedeckten Körper, der von der Form her an ein Krokodil erinnerte, nur die Füße fehlten. Das vordere Drittel hatte er wie eine Schlange aufgerichtet; der Kopf ähnelte der einer Muräne, und ein Paar kalter, blauer Augen starrte sie an.
»Lassen Sie mich auf den Boden, Fürst«, wisperte sie.
Ich hoffe, dass mein friedliches Verhalten gezeigt hat, dass ich keinerlei böse Absicht euch gegenüber hege, sprach eine zischelnde Stimme in ihrem Kopf. Obwohl ich dich, Drachentöterin, für deine begangenen Taten auf der Stelle verschlingen müsste.
»Sie wird sich zusammenreißen«, versprach Arsenie. Offenbar hatten sie und Grigorij die Stimme ebenfalls vernommen. Sie drehte sich zu Silena. »Großmeisterin, darf ich Ihnen Gessler vorstellen? Er ist sehr erfreut, dass wir zu ihm gekommen sind, und wäre noch erfreuter, wenn Sie ihn anhören würden.«
Silena stellte sich hin und war dankbar, dass ihr der Fürst den Arm als Stütze anbot. »Wo ist mein Schwert?«, verlangte sie leise.
Es gibt keinen Grund, mich anzugreifen, Großmeisterin. Ich bin der friedlichste Drache der Welt. Der hässliche Kopf neigte sich nach unten, der lippenlose Mund befand sich eine Armlänge von Arsenies Haupt entfernt. Wir haben einen gemeinsamen Gegner. Aber das sollten wir nicht hier besprechen. Ich zeige euch meine Unterkunft, wenn ihr möchtet.
»Warum sollten wir einem Teufel glauben?«
»Weil er weiß, wo der Weltenstein ist«, sagte Grigorij leise zu Silena.
»Was ist, wenn Mister Skelton…«
Über ihnen knirschte es, und ein sichtlich verwunderter Onslow Skelton kam durch das Loch gefallen, landete hinter Silena und fluchte laut, was gar nicht zu seiner sonst so britisch-beherrschten Art passte. »Oh, was…« Er entdeckte die Gefährten und den Drachen. »Bei den himmlischen Heerscharen!«
»Respekt, Mister Skelton. Das war ein sehr eindrucksvolles Schimpfwort und mit viel Bravour vorgetragen.«
Grigorij lächelte. »Der große weiße Gentledragon hier ist Gessler, und wir haben uns eben Sorgen gemacht, wo Sie wohl abgeblieben sein könnten, als Sie erfreulicherweise zu uns stießen.«
Onslow wich vor dem Drachen zurück. »So etwas habe ich noch niemals gesehen. Ich meine…« Er schaute zu Silena. »Können wir ihm vertrauen?«
»Nein. Aber wir haben keine andere Wahl, als uns anzuhören, was er zu sagen hat.« Sie wankte und klammerte sich fester an Grigorij.
»Lassen Sie mich nach Ihrer Wunde sehen, Großmeisterin«, bat er. »Was ist Ihnen eigentlich zugestoßen?«
»Einer der Husaren hat seinen Spieß nach mir geworfen.« Sie ließ zu, dass er den Mantel zur Seite schob und die Verletzung betrachtete. »Wissen Sie, wie man Verbände anlegt?«
Er lachte. »Sicher, Großmeisterin. Ich durfte es oft genug bei mir selbst ausprobieren.«
Der Drache hatte bislang abgewartet. Da es keine weiteren Bes u cher mehr gibt, gehen wir. Er schob sich durch die Röhre, vorbei an den vier Menschen. Silena sah deutlich, wie sich die Muskeln unter der gepanzerten Haut bewegten, sich zusammenzogen und entspannten und den Drachen langsam und sehr majestätisch vorwärts brachten. Der Leib strahlte eine spürbare Wärme aus, er roch jedoch nicht.
Sie folgten dem Wesen durch den Tunnel, der unter Innsbruck entlanglief. Wohin sie sich genau bewegten, vermochte keiner von ihnen zu sagen, doch in dem Stollen war es kühl, und die Luft war keinesfalls abgestanden oder muffig.
Sie passierten weitere Tunnelabzweigungen, mal plätscherte Wasser von dort, mal vernahmen sie ein leises Knistern, das von Elektrizität stammen mochte.
Meinen Namen habt ihr bereits erfahren. Ich war ein Freund des schwarzen Drachen, den ihr jagt, und ich teilte seine Vision über die Zukunft. Leider ahnte ich nicht, dass er mich mit seinen Ansichten betrog und belog, erklärte er.
»Wie viele von euch leben unter Innsbruck?«, fragte Silena.
Ich bin der Einzige meiner Art. Und dass ich dich durch den Tu n nel führe, heißt noch lange nicht, dass ich dich in alle meine G e heimnisse einweihen werde. Mir ist klar, dass du dem Officium Meldung erstatten wirst, aber wenn die anderen Drachentöter aufta u chen, werde ich schon lange woanders sein. Der Drache lachte. Das Kaiserreich ist groß und hat viele Täler und Gebirge, in denen ich mich sehr wohl fühle. Auch wenn ich Innsbruck vermissen werde.
Silena versuchte zu verstehen, weswegen Gessler ihr den Tunnel
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