Die Mächte des Feuers
leisen Knall, als die Treibladung zündete, beißender Rauch füllte die Kanzel – aber der Pfeil startete nicht.
»Grigorij, schieß!«, rief Silena und bückte sich, um nach dem Rohr zu sehen. Ratternd feuerten die Maschinengewehre nach dem Drachen, um ihn im letzten Augenblick am Zubeißen zu hindern.
Silena erkannte das Problem: Ein Sicherungsriegel war nicht entfernt worden und hielt den Luftschiffpfeil arretiert.
Hustend löste sie den Splint und wurde vom Zusammenprall mit dem Drachen aus dem kleinen Sitz geschleudert. Sie fiel auf den Boden und sah vor lauter Qualm gar nichts mehr. Der ätzende Rauch brannte sich in ihre Lungen, und sie kroch auf allen vieren durch das Türchen raus aus der Gondel.
Silena hörte, wie es hinter ihr laut klirrte, das Geräusch von einströmender Luft wurde überlaut; auch das Feuer der Maschinengewehre, die Grigorij ohne Unterlass betätigte, erklang trommelfellsprengend, so als stünde sie unmittelbar vor den Mündungen. Sie schaute über die Schulter und sah den eingeschlagenen Geschützausleger; der Wind hatte den Rauch längst hinausgeblasen. Der Drache hatte sich bei seinem Angriff mit einer Kralle in einer Verstrebung verfangen und zog ruckartig daran, während er selbst wie ein Segler über der Staaken schwebte und mitgezogen wurde; die Belastung ließ das Metall des Flugzeuges ächzen.
»Jetzt entkommst du mir nicht.« Silena sprang zurück in die zerstörte Gondel, richtete den Pfeillauf neu aus und schlug mit Wucht dagegen. Die Erschütterung löste die Blockade, und das Geschoss zischte davon.
Es traf den Drachen in den Unterleib, durchschlug die Schuppen und verschwand beinahe vollständig im Leib.
Aufkreischend befreite sich das Monstrum mit einem mörderischen Ruck der Kralle, wobei der Bomber einen Teil des Leitwerks verlor. Der Drache schlug mit den Schwingen und versuchte, den Pfeil mit der Schnauze aus dem Körper zu ziehen, doch es gelang ihm nicht. Aus der Wunde schlugen grelle Flammen, und die Hornschuppen vergingen in dichtem, weißem Qualm. Plötzlich erschlaffte das Ungeheuer und stürzte wie ein Stein dem Erdboden entgegen.
Der Staaken erging es ähnlich. Zwei verlorene Motoren und ein beschädigtes Leitwerk verlangten dem Piloten alles ab, damit sich der Bomber nicht senkrecht in den Boden bohrte.
Grigorij kam zu Silena. »Eine Meisterleistung«, rief er und reichte ihr die Hand, schüttelte sie, dann umarmte er sie im Überschwang. »Ach was: Das war großmeisterlich!«
Sie freute sich, immer noch hustend, dass ihr die Rettung gelungen war. Dann wurde ihr Blick starr: Am Heck erschien ein weiterer Drache, ein größeres braunes Exemplar mit zahlreichen Hörnern auf der Stirn. Sie erkannte deutlich, dass Rauch aus der Nase quoll. Das Monstrum bereitete sich auf einen gezielten Feuerstoß gegen die Staaken vor.
»Es ist aus, Grigorij«, flüsterte sie und hielt seine Hand.
Da erklang ein lautes Kreischen, als flögen Sirenen durch die Luft.
Zwei Schatten huschten dicht hintereinander über den Drachen hinweg. Das Kreischen wurde überlaut, sodass Silena und Grigorij die Hände auf die Ohren pressten. Der Drache brüllte und faltete die Schwingen zusammen, sackte weg vom Flugzeug und verschwand aus ihrer Sicht.
Silena hatte das charakteristische Surren der Doppeltriebwerke sofort erkannt. »Das waren zwei Saints«, rief sie aufgeregt, stand auf und rannte zur Kuppel, in welcher der Fürst vorhin gesessen hatte. Aufgeregt suchte sie den Himmel ab.
Was sie sah, begeisterte sie und versetzte ihr einen wahren Euphorierausch. »Die Cadmos!«, schrie sie. »Da oben ist sie!« Sie deutete zum Himmel über ihnen, wo ein beeindruckend großes Luftschiff mit einer langen Gondel darunter schwebte.
Die beiden Saint-Maschinen zogen eine Runde um das Schiff und bereiteten sich auf die Landung auf der kurzen Bahn vor. Die erste setzte zur Landung an, während die zweite sicherte.
Der Drache blieb verschwunden, er hatte den Lärm der Sirenen, den Hauptmann Litzow damals bei der Präsentation so angepriesen hatte, nicht ausgehalten.
»Der Erzbischof hat uns Nachschub gesendet!« Kaum hatte sie den Satz ausgesprochen, sah sie, dass das Emblem des Officiums von der Seite der Cadmos entfernt worden war. Die Räuber des auf der Welt einmaligen Luftschiffes waren über Kiew aufgetaucht.
Grigorij hatte ebenfalls verstanden, dass es sich nicht um Drachentöter handelte, die ihnen zu Hilfe gekommen waren. »Jetzt bin ich neugierig«, sagte er leise.
Unter
Weitere Kostenlose Bücher