Die Mächte des Feuers
bezogen haben«, flüsterte er. Mit Gesten dirigierte er Franklin und die Wärter auf ihre Plätze. Er selbst blieb zusammen mit einem der Wärter am Haupteingang stehen und verbarg sich hinter einem Stahlträger. Der Saal maß zehn mal vierzehn Meter, hatte eine Front ganz aus Glas und mehrere große Dachfenster. Stahlträger ragten sieben Meter in die Höhe und gaben den miteinander vernieteten Querstreben Halt. Insgesamt erweckte Saal 13 den Eindruck, ein großes Gewächshaus oder ein Atelier zu sein.
Unter der Decke schwebten die Skelette von zwei kleinen Drachen und einem großen Flugexemplar mit immerhin zwei Köpfen. Es war selten, dass die Kirche eine solche Zurschaustellung erlaubte; normalerweise erhob sie Anspruch auf jedes noch so kleine Stückchen eines echten Drachen. MacEwan vermutete insgeheim, dass es sich bei den Skeletten in Wahrheit um Fälschungen handelte.
Darunter breiteten sich die Vitrinen aus, in denen Waffen ausgestellt waren, welche die Menschheit – zumindest in Europa – gebraucht hatte, um Drachen zu erlegen. Primitive Speere, Schwerter, sogar eckig geschliffene, scharfkantige Steine hatten einst zur Jagd gedient.
Aber die Diebe hatten es auf ganz andere Gegenstände abgesehen.
MacEwan beobachtete einen von ihnen, eine schwarz gekleidete und maskierte Gestalt, die im Schein ihrer Lampe eine Liste studierte und langsam an den Schaukästen entlangging, bis sie vor einem Schwert stehen blieb.
Sie packte den Zettel weg, stellte die Leuchte ab und nahm einen Glasschneider hervor. Drei kräftige Bewegungen später, und sie hatte eine dreieckige Öffnung geschaffen. Behutsam fasste sie ins Innere, fischte nach dem Griff des Schwerts.
»Was machen die so lange?«, fluchte MacEwan durch den Schnauzbart und hielt Ausschau nach Franklin und dem Wärter. Sie pirschten sich an die Türen heran, befanden sich aber immer noch gute zehn Meter von ihnen entfernt.
MacEwan überschlug indes die Anzahl der Diebe und kam auf ein Dutzend Männer, vorausgesetzt er hatte sich nicht verzählt. Das Plätschern und Trommeln ganz in seiner Nähe wies ihm den Weg, den die Verbrecher zum Ein- und Aussteigen in den Saal gewählt hatten: Eine der Dachluken stand offen, Regen fiel herein und prasselte auf den Boden und die Vitrinen.
Als Franklin und der Wärter endlich vor den Türen standen, hatten die Diebe bestimmt vierzig Gegenstände aus den Schaukästen entfernt. In der Mehrzahl handelte es sich um Kleinode, wie Dolche und Schwerter, aber auch wertvolle Kunstgegenstände, die aus einem Drachenhort aus dem 18. Jahrhundert stammten. Sie hatten tatsächlich zwei goldene Muschelbonbonnieren ausgesucht und eine mit Arabesken versehene Schmuckdose entwendet, deren Intarsien aus reinem Gold bestanden.
MacEwan legte eine Hand an den Lichtschalter und blies aus Leibeskräften in seine zweistimmige Pfeife. Sofort fielen seine beiden Männer ein und beschallten den Saal mit dem durchdringenden Bobbie-Signal.
»Stehen bleiben!«, schrie er. »Ihr Hurensöhne seid alle verhaftet, die Ausgänge sind blockiert, und der Raum ist umstellt. Gebt auf, oder es wird…«
Krachend zersprang das mittlere Segment der Fensterfront, Scherben fielen klirrend aus großer Höhe herab und zertrümmerten Vitrinen, rissen Statuen um; umherfliegende Fragmente beschädigten die Aufhängungen der Drachenskelette. Befreit von einigen ihrer Halterungen, pendelten sie hin und her und schienen zu untotem Leben erweckt worden zu sein.
MacEwan sprang zur Seite, um den Splittern zu entgehen. Den Schreien nach zu urteilen hatte es mindestens zwei der Diebe erwischt. Erschrocken richtete er die Augen zur Decke und sah eine geflügelte Gestalt in raschen Manövern zwischen den Streben kreisen, ehe sie sich auf einen der Männer stürzte und ihm gezielt die Tasche entriss.
Plötzlich stand Jones neben dem Constable, er keuchte noch, weil er gerannt war.
»Heilige Scheiße«, raunte er und verfolgte, wie der zwei Schritt große, hässliche Drache dem Dieb, der seine Beute nicht hergeben wollte, mit einem kräftigen Hieb seiner Klauen zuerst die Brust aufriss und danach den Kopf abschlug. Mit einem Siegesschrei, der dem eines Raubvogels nicht unähnlich war, flatterte er zurück unter die Decke und setzte sich auf eine Querstrebe; seine leuchtenden weißen Augen stierten auf die Männer herab.
Er suchte nach dem zweiten Opfer.
Die Diebe robbten unter den Vitrinen entlang auf die Ausgänge zu, doch immer mehr Constables rannten in den Saal und
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