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Die Maechtigen

Titel: Die Maechtigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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in die geöffnete Metallschublade direkt unter das Glas. Die Pförtnerin des Sankt Elizabeth zieht die Schublade samt Inhalt auf ihre Seite, ohne mich aus den Augen zu lassen. Zweifellos erinnert sie sich noch von gestern an mich.
    »Er ist mein Assistent«, erklärt Clementine.«
    »Ist mir egal, wer er ist. Er muss sich einchecken«, sagt die Pförtnerin.
    »Ich habe angerufen«, gibt Clementine gereizt zurück und klopft mit dem Ring an ihrem Daumen auf den Tresen. Ihre Stimme klingt jetzt wieder sehr bestimmt, ganz anders als gestern Nacht bei ihrer Großmutter. »Sehen Sie einfach in Ihrem Computer nach.«
    Die Pförtnerin drückt ein paar Tasten, dann entgleisen ihre Gesichtszüge. Ich habe gut daran getan, Clementine ins Boot zu holen. Ich bekomme meinen Ausweis zurück und den neuen Aufkleber, dann müssen wir uns durchleuchten lassen. Klar ist auch, dass Clementine nicht gerade in der Stimmung ist, unseren Sieg zu feiern. »Am Ende des Gangs«, sagt die Pförtnerin. »Sie werden oben empfangen.«
    Die dicke Stahltür links von uns öffnet sich mit einem tiefen Klacken, und schon sind wir auf dem Weg ins Innere des Gebäudes. Zwei Schritte weiter erwartet uns die nächste Stahltür. Die ist geschlossen. Wie im Gefängnis wird auch hier immer nur eine Tür zurzeit geöffnet. So können die Patienten nicht entwischen.
    Hinter uns schließt sich jetzt die erste Tür. Ich stehe kaum einen halben Schritt hinter Clementine. Ich sehe nur ihren Hinterkopf und einen Leberfleck auf ihrem Hals. Man muss kein Experte für Körpersprache sein, um entschlüsseln zu können, was ihre Starrheit verrät. Heute fällt ihr das alles viel schwerer als gestern. Denn sie weiß jetzt, was auf sie zukommt.
    »Du musst das nicht machen«, flüstere ich ihr zu.
    Sie sieht sich nicht um.
    »Clemmi, ich meine es ernst«, füge ich hinzu. »Wenn du willst, kannst du auch einfach hier warten.«
    »Wieso hast du mich noch nicht nach letzter Nacht gefragt?«, platzt sie heraus.
    »Moment mal. Wollen wir uns jetzt streiten? Geht es um den Kuss?«
    »Vergiss den Kuss. Letzte Nacht. Du hast die ganze Sache mit Nan mit angesehen … Warum hast du mich noch nicht danach gefragt?«
    »Ich habe dich gefragt. Du hast gesagt, du willst nicht darüber reden.«
    »Gut, aber jetzt will ich es. Besonders weil ich jetzt gleich in dieser kleinen Blechbox hyperventiliere.«
    Beim nächsten metallischen Knall zucken wir zusammen. Die zweite Tür öffnet sich, und wir stehen am Anfang des nächsten langen, limettengrünen Gangs, an dessen Ende ich den Fahrstuhl sehe. Clementine bewegt sich nicht von der Stelle, obwohl es den Eindruck macht, als versuchte sie es. In den letzten Tagen habe ich sie sowohl stark als auch schwach erlebt, furchtlos und erschrocken … und ebenso liebenswürdig und fürsorglich. Es so viele Clementines. Aber sobald es um ihre Familie geht, besonders um ihren Vater, verliert das Mädchen, das auf alles vorbereitet zu sein scheint, seine Selbstsicherheit. Auf ihre Unsicherheit ist sie überhaupt nicht vorbereitet.
    »Ich beurteile dich nicht danach, wie du von deiner Großmutter behandelt wirst«, erwidere ich, »das weißt du.«
    »Sicher weiß ich es. Aber es geht nicht nur darum, wie sie mich behandelt. Es geht darum, wie ich mich von ihr behandeln lasse. Das hast du gestern gesehen. Ich bin nicht … wenn sie …« Sie presst die Lippen zusammen. »Ich mache in ihrer Gegenwart nicht gerade eine gute Figur.«
    Ich lasse mir nicht anmerken, dass ich das auch so empfunden habe. »Manchmal bist du so stark, ich vergesse dann, dass du auch verletzlich sein kannst.«
    Sie schüttelt den Kopf. »Wir sind alle verletzlich.«
    Ich nicke und denke daran, dass Iris’ Fahrrad immer noch in meiner Garage steht. Sie hat es dort vergessen. Iris liebt dieses Fahrrad. Trotzdem holt sie es nicht ab.
    Ich betrachte also Clementines Leberfleck auf ihrem Nacken und muss daran denken, dass es doch nichts Intimeres gibt im Leben, als verstanden zu werden. Und jemand anderen zu verstehen.
    »Seit wann kümmerst du dich schon um deine Großmutter?«, erkundige ich mich schließlich.
    »Seit vier Jahren. Seit meine Mutter gestorben ist. Sicher, es ist gut, sich um alte Leute zu kümmern, aber mit dieser gemeinen alten Frau zu leben … ohne einen Job … was ich dir natürlich auch hätte sagen sollen … und dann noch herauszufinden, dass Nico mein … Du weißt schon … Ich verlange ja nicht, dass mein Leben so perfekt sein muss wie eine Symphonie,

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