Die Maechtigen
Krallen aus und wird uns anschaulich demonstrieren, warum man ihn den König des Dschungels nennt. Und der erste Schlag seiner Klaue wird mich erwischen.«
Clementine geht langsam den Weg zum Eingang zurück, und diesmal widerspricht Dallas mir nicht. Er weiß, dass ich recht habe. Sobald die Untersuchungsberichte vorliegen und Khazei beweisen kann, dass Orlando ermordet wurde, werden alle Blicke auf mich gerichtet sein. Denn ich bin die letzte Person, mit der Orlando lebend gesehen wurde.
Wenn dieses schwarze Loch sich erst geöffnet hat, dann ist alles zu spät. Es wird uns alle ausnahmslos verschlingen.
»Das heißt nicht, dass wir uns nicht auf Palmiotti konzentrieren sollten«, meint er und deutet wieder auf die Fußspuren. »Unsere Leute sind auf der Suche. Sie werden etwas finden. Sie finden immer etwas. Was auch vor all diesen Jahren passiert sein mag, wir werden ausgraben, was wer gesehen hat und wer dort war … und selbst, wo genau wo sie waren …«
»Moment mal!«, platze ich heraus. »Sagen Sie das noch mal!«
»Wir graben aus, was sie gesehen haben?«
»Nein. Ich meinte den Teil mit Wo sie waren. Wenn wir herausfinden können, wo sie waren …« Ich ziehe mein Handy heraus und tippe hastig eine Nummer ein.
»Was haben Sie vor?«, erkundigt sich Dallas.
»Wenn wir den Löwen zur Strecke bringen wollen«, erkläre ich, »brauchen wir ein größeres Gewehr.«
82. Kapitel
»Was haben Sie vor?«, fragte Dallas.
»Wenn wir den Löwen zur Strecke bringen wollen«, erwiderte Beecher, »brauchen wir ein größeres Gewehr.«
Der Friseur stand im Schutz der Bäume und beobachtete sie. Er hielt die Luft an, um sie besser hören zu können. Er versuchte sich einzureden, alles würde gut ausgehen. Als Beecher jedoch diese Telefonnummer wählte, hatte Laurent endlich die Wahrheit kapiert … und gestand sich ein, dass es alles andere als gut war.
Nach dem, was er hatte hören können, spekulierten Beecher und seine Leute nicht mehr einfach nur herum. Sie kannten Einzelheiten. Sie kannten Namen – und nicht nur den des Präsidenten. Sie hatten Palmiotti … und er hatte gehört, wie sie etwas von der Schwarzen Acht gesagt hatten.
Wenn sie … Dass sie das wissen … und wenn sie wissen, was in jener Nacht passiert ist …
Laurent versteckte sich hinter dem Apfelbaum, an dessen Rinde noch etwas Schnee klebte, wie eine kleine weiße Insel. Aber der Wind wehte die Flocken nach und nach auf den Boden. Die kleine Insel schrumpfte sichtlich, und Laurent wusste, dass genau dies auch ihr eigenes Schicksal war.
Alles wurde von der Zeit erodiert.
Palmiotti behauptete ja schon länger, dass er es aufhalten könnte. Dass er die Bedrohung irgendwie verschwinden lassen würde. Aber Zuversicht ergeht es nicht anders als Freundschaft und Geheimnissen. Sie alle erleiden dasselbe Schicksal.
Die Zeit erodierte sie.
Für Laurent war jetzt alles völlig klar. Das hier war nicht der Beginn eines Tornados.
Es war der Anfang vom Ende.
Direkt vor dem Friseur hatte ein weiterer Windstoß die kleine Insel aus Schnee auf die Größe eines Cents zusammengeschrumpft. Beecher drüben auf der anderen Seite der verschneiten Friedhofsfläche hatte eine ganz ähnliche Wirkung. Als die letzten Schneeflocken sich zögernd von der Baumrinde lösten, spürte Laurent wieder diesen dicken Klumpen im Hals und wurde von Gefühlen überwältigt, wie vorhin, als er die Tätowierung seines Kunden gelesen hatte.
Wenn Laurent den Tornado aufhalten wollte, dann gab es nur eine Möglichkeit. Bis zu diesem Augenblick hatte er nicht geglaubt, dass er den Mumm dafür hätte.
Aber er hatte ihn.
Er griff in seine Jackentasche und tastete nach dem Gegenstand, den er beinahe reflexartig aus dem Friseurladen mitgenommen hatte. Es war eine der wenigen Erinnerungen, die sein Vater aus dem Krieg mitgebracht hatte: das Rasiermesser des Meisterfriseurs mit der langen Klinge und dem Abalone-Griff.
Als er es herausgeholt und aufgeklappt hatte, war der letzte Schnee von der Baumrinde verschwunden.
Beecher und Dallas kehrten ihm den Rücken zu.
Der Tornado steigerte seine Wucht.
83. Kapitel
»Nationalarchiv«, meldet sich eine bekannte Stimme am Telefon. »Mit wem darf ich Sie verbinden?«
»Katja, Beecher hier. Stellen Sie mich zu Mr. Harmon aus dem Präsidentenarchiv durch?« Ich stehe im Schnee auf dem Friedhof und sehe die Verwirrung auf Dallas’ Gesicht. »Wir müssen herausfinden, was wirklich am 16. Februar passiert ist, oder?«,
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