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Die Maechtigen

Titel: Die Maechtigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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über den verschneiten Weg zu dem kleinen Haus mit den schiefen grünen Jalousien und sprang die Holztreppe hoch. Sie setzte immer erst den linken Fuß auf jede Stufe. Ihre Mutter hatte ihr gesagt, dass die meisten Menschen zuerst mit dem rechten Fuß gehen. »Aber hör auf mich, Clemmi«, pflegte ihre Mutter zu sagen, »was für einen Spaß macht das schon, wenn man so ist wie die meisten anderen?«
    Schon jetzt, mit dreizehn, kannte Clementine die Antwort auf diese Frage. An der Eingangstür benutzte sie nicht die Klingel, die immer ding machte, aber nie dong. Clementine brauchte nicht zu klingeln.
    Sie war vorbereitet. Sie hatte einen Schlüssel und ging hinein.
    Ihr schlug ein Schwall von Rosenwasserparfüm entgegen. Sie brauchte weder zu rufen noch zu fragen, ob jemand zu Hause war. Es würde niemand antworten. Ihre Mutter war noch unterwegs, drei Vorstellungen in St. Louis. Sie würde mindestens noch bis nächste Woche fort sein.
    Clementine machte sich nicht die Mühe, jemanden zu bitten, ihr bei den Hausaufgaben zu helfen, und machte sich ebenso wenig Sorgen, was sie zu Abend essen sollte. Sie war daran gewöhnt, die Dinge auf sich zukommen zu lassen. Außerdem konnte sie kochen. Vielleicht würde sie sich heute Abend einen Eintopf zubereiten.
    Tatsächlich strahlte Clementine übers ganze Gesicht, als sie ihren Wintermantel auszog und ihn auf den Linoleumboden fallen ließ, wo er in sich zusammensackte wie ein knochenloser Körper. Sie streichelte kurz zwei der drei rotbraunen Katzen, die ihre Mutter von verschiedenen Reisen mitgebracht hatte, und ging dann schnell in das aufgeräumte Wohnzimmer, schaltete den CD-Spieler an, der gefährlich nah an der Kante des Regals stand, und legte eine CD ein: Penny Maxwell’s Greatest Hits.
    Penny war nicht nur Clementines Lieblingssängerin, sondern auch ihre Mutter. Sie hatte immer noch fast dreihundert Stück ihrer Greatest Hits im Schrank, unter dem Bett und im Kofferraum und den Rücksitzen des Autos gebunkert. Die CD war einer dieser Geistesblitze ihrer Mom gewesen, allerdings mehr Blitz als Geist. »Wenn du gleich eine CD mit Greatest Hits herausbringst, verkauft sie sich besser, weil die Leute denken, dass sie etwas verpassen.« Clementine war das egal. Für sie war es das Leben.
    Als die Musik begann und ein raffiniertes Trompetenthema aus den Lautsprechern drang, schloss Clementine die Augen und sog die vertraute, heisere Stimme auf, die sie schon in den Schlaf gesungen hatte, als sie noch ein Baby war; und zwar mit demselben Lied, Billie Holidays: God Bless the Child.
     
    Mama may have, Papa may have But God bless the child, that’s got her own  
     
    Clementine hatte keine Ahnung, dass ihre Mutter den Text verändert hatte, damit ein kleines Mädchen darin vorkam. Und sie wusste ebenfalls nicht, dass Billie Holiday das Lied nach einem besonders heftigen Streit mit ihrer eigenen Mutter geschrieben hatte, in dem es um Geld gegangen war. Aber als sie jetzt in dem Wohnzimmer stand, sich ein wenig vor und zurück wiegte, als würde sie tanzen, wie sie es immer mit ihrer Mutter nach der Schule machte, war die dreizehnjährige Clementine Kaye überhaupt nicht traurig darüber, dass sie allein war … oder sich selbst etwas kochen musste … oder überhaupt immer für sich selbst sorgen musste.
    Sie war darauf vorbereitet. Sie war immer vorbereitet.
    Aber vor allem war sie einfach glücklich, die Stimme ihrer Mutter zu hören.
     

5. Kapitel
    Heute
    Washington, D.C.
     
    »Ich verstehe nicht, was das Problem sein soll«, erklärt Clementine im SCIF.
    »Nein! Nein, nicht anfassen …!«, schreit Orlando, als sie sich nach der kleinen Mappe bückt.
    »Was? Sie ist vollkommen durchnässt«, erkläre ich und reiße sie fast aus der Kaffeepfütze.
    »Wir könnten sie in das Versteck zurücklegen«, schlägt er vor.
    »Sie ist klatschnass. Siehst du nicht, wie sie tropft?« Ich halte die Mappe hoch, damit er mitkriegt, wie es aus ihr heraustropft. »Du glaubst doch wohl nicht wirklich, dass ich sie einfach so wieder in den Stuhl stecken kann, als wäre nichts passiert? Wir müssen das melden.«
    »Lando, bist du da? Alles klar in der Gruft?«, quäkt eine Stimme in seinem Walkie-Talkie.
    Wir drehen uns alle zu dem umgekippten Holzstuhl und dem enttarnten Versteck herum.
    »Ja, ja, alles klar!«, funkt Orlando zurück.
    »Sehr, denn ihr kriegt gleich Besuch«, krächzt die Stimme im Lautsprecher. »Zehn Minuten bis zur Abfahrt.«
    Von hier aus sind es zehn Minuten bis

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