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Die Maechtigen

Titel: Die Maechtigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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anderen gegangen, wäre Laurent schon verschwunden. Aber er wartete nicht auf irgendeinen Kunden, sondern auf einen seiner ersten Kunden. Damals war Laurent noch auf die Highschool gegangen, und sein Vater hatte ihm eine Schere und einen eigenen Stuhl gegeben.
    In einer Stadt wie Journey, wo derselbe Mann seit fast vier Jahrzehnten allen die Haare geschnitten hat, gehörte viel Mut dazu, einen neuen Friseur auszuprobieren.
    Man braucht Vertrauen.
    Und genau wie sein Vater es mit seinen ersten eigenen Kunden gehalten hatte, so würde auch Laurent das nie vergessen … nicht einmal viele Jahre später, als er gebeten wurde, an einem kalten regnerischen Whistabend länger zu arbeiten, als alle anderen Geschäfte schon geschlossen waren und es von Sekunde zu Sekunde unwahrscheinlicher wurde, dass er eine Pirogge auch nur zu sehen bekam oder …
    Diing bimmelte die Glocke am Eingang des Friseurladens.
    Laurent fuhr herum, als die Tür so hart zugeschlagen wurde, dass das Glas fast zersplittert wäre. Das war nicht sein Kunde, sondern ein paar junge Männer in den Zwanzigern, die vor dem Regen flohen und über seine Türschwelle stolperten. Sie waren völlig durchnässt, rutschten herum, und von ihrer Kleidung tropfte Wasser auf die schwarzweißen Fliesen.
    Zuerst war Laurent stocksauer. Er duldete hier keine Betrunkenen und schon gar keine betrunkenen Collegestudenten, die einen Friseurladen sehen und dann plötzlich einen Irokesenschnitt à la Mr. Tom Mohawk haben wollten. Doch als sie schließlich in dem Laden waren, erkannte Laurent den wahren Grund des Tumults. Der junge Mann in der Mitte fiel mit dem Gesicht voran zu Boden. Seine Freunde waren nicht mit ihm gegangen, sie hatten ihn getragen.
    Jetzt lag er regungslos auf dem Boden. Der rechte Arm stand in einer Weise vom Körper ab, wie Arme das normalerweise nicht taten. Aus seinem nassen Haar tropfte Blut auf den Boden, vermischte sich mit dem Regenwasser und verfärbte es zu einem eigenartig schönen hellen Pink. Aber trotz des Chaos und des Blutes erkannte der Friseur, der es für den Rest seines Lebens bereuen sollte, an diesem Abend länger im Geschäft geblieben zu sein, sofort die Tätowierung auf dem Arm des blutenden Mannes. Eine schwarze Billard-Acht.
    Er hatte bereits einmal einer anderen Person mit derselben Tätowierung die Haare geschnitten. Er wusste, was die Tätowierung bedeutete und zu welcher Gang der Mann gehörte.
    »Komm rein und mach die Tür hinter dir zu«, rief einer dem übergewichtigen Jungen zu, nein, es war ein Mädchen, das noch immer wie ein dicker Geist draußen im Regen stand. Die junge Frau sagte kein Wort.
    »Sie werden uns umbringen!«, rief ein anderer Junge. Er warf dem Friseur einen gehetzten Blick zu, aber aus seinen grauen Augen strahlte dennoch eine fast schon spirituelle Klarheit. Laurent kannte ihn ebenfalls von früher. Als er noch klein war, hatte sein Vater immer wieder Ärger im Geschäft gemacht. Aber auch wenn es sehr schlimm wurde, hatte Laurent den Jungen nie aufgewühlt gesehen. Bis jetzt.
    »Ich meine es ernst, Laurent. Bitte …!«, flehte ihn der Zwanzigjährige an, der einmal Präsident der Vereinigten Staaten werden sollte. Er hatte Tränen in den grauen Augen. »Bitte, kannst du uns helfen?«
     

90. Kapitel
    »Beecher …« Die Stimme von Dallas am Telefon klingt alarmiert.
    »Bin schon unterwegs!« Ich stürme durch die Glastür der Lobby nach draußen in die Kälte. Mein Körper zittert bei dem seltsamen Gefühl, dass ich in meinem Wintermantel schwitze und gleichzeitig der brutale, eisige Wind durch den Stoff dringt. Als ich jedoch an den Betonbänken vor dem Backsteingebäude vorbeilaufe …
    »Sie müssen sich davon überzeugen, dass Nico Ihnen nicht folgt!« Dallas scheint meine Gedanken lesen zu können.
    Ich überzeuge mich. Immer wieder. Und dann ein letztes Mal.
    Die Glastür bleibt geschlossen. Soweit ich es beurteilen kann, rührt sich in dem Gebäude nichts.
    »Sie müssen da weg …!«, setzt Dallas hinzu, als ich schon über den kleinen dunklen Pfad durch den Schnee zum Parkplatz laufe. Ich vergewissere mich noch einmal, ob mir jemand folgt. Aber als ich mich diesmal umdrehe, fühlen sich meine Beine so zerbrechlich wie Zahnstocher an, als könnten sie mein Gewicht nicht mehr halten und wollten jeden Moment ihren Dienst verweigern. Diesmal schaue ich mich nicht nach Nico um. Ich suche sie.
    Clementine.
    In Gedanken gehe ich noch einmal jeden Moment, jede Situation, jedes Gespräch durch, das

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