Die Maechtigen
behilflich, das verspreche ich.« Es hört sich beinahe so an, als wolle er mir einen Gefallen tun. Aber seine Stimme hat auch einen drohenden Unterton. Bevor ich mich auf ihn verlasse, muss ich erst wissen, was hier wirklich los ist.
»Wenn Sie Hilfe brauchen, sollten Sie sich mit Rina unterhalten«, antworte ich. »Wussten Sie schon, dass sie Orlando an dem Morgen, als er starb, zehnmal angerufen hat?«
Er reagiert überhaupt nicht, und ich frage mich zum wiederholten Mal, wonach er wirklich sucht: nach Orlandos Mörder oder nach dem Buch von George Washington?
Ohne ein weiteres Wort verschwindet er in seinem Büro. Ich laufe Totte und Clementine hinterher und erreiche sie, als sie gerade um die Ecke biegen. Bevor ich etwas sagen kann, bedeutet Totte mir, dass ich mich ruhig verhalten soll. Dann zeigt er auf den wirklichen Grund, warum er mich gesucht hat, auf den dicken Faltordner, den er sich unter den Arm geklemmt hat. Auf dem Deckel steht ein Name:
Gyrich, Dustin.
Das ist der Mann, der sich seit mehr als hundertundfünfzig Jahren Bücher ausleiht.
38. Kapitel
»Wie geht’s meinem Auto?«, erkundigt sich Totte.
»Wie hast du es geschafft, Khazei so in die Enge zu treiben?«, frage ich herausfordernd.
»Wie geht’s meinem Auto?«
»Totte …«
Er dreht sich nicht um, während er uns an all den staubigen Buchregalen im achtzehnten Stock des Magazins vorbeiführt. Er geht nicht sehr schnell, aber er weiß genau, wohin er will. Die automatische Beleuchtung schaltet sich ein, sobald wir vorbeigehen. Clementine und ich folgen ihm. »Khazei ist nicht an einem Streit interessiert«, erklärt er schließlich. »Er interessiert sich nur für das, was ihr im SCIF gefunden habt.«
»Das sehe ich auch so, aber woher willst du das wissen?«
»Warum hat er nicht längst zurückgeschlagen? Wenn es ihm vor allem um Orlandos Tod ginge, hätte er euch längst dem FBI zum Fraß vorwerfen können, das diese Untersuchung eigentlich leitet. Oder dem Secret Service, der übrigens schon den ganzen Tag den SCIF auseinandernimmt. Alle großen Dienste arbeiten an diesem Fall mit, aber aus irgendeinem Grund spielt Khazei seine Trumpfkarte nicht – euch beide«, erklärt Totte, als die nächste Lampe aufflammt. Ich schaue nach oben. Die Magazine des Archivs sind einfach zu ausgedehnt, deshalb gibt es nicht in jeder Ecke eine Kamera. Und soweit ich sehen kann, läuft Totte genauso im Zickzack, dass wir noch von keiner einzigen Kamera erfasst worden sind. »Nun sag endlich, wie es meinem Auto geht«, sagt er.
»Sie haben ein tolles Auto«, wirft Clementine ein, die ihren Wutanfall offenbar ausbügeln will. »Ich heiße übrigens Clementine.«
Totte schaut nicht zurück. Und er antwortet nicht. Er will ganz offenkundig nichts mit Clementine zu tun haben. Wie er bereits heute Morgen sagte, er kennt sie nicht und traut ihr auch nicht. Aber da Khazei auf sie aufmerksam geworden ist, kann er sie nicht einfach an die Luft setzen. Sie war nun mal auch in diesem SCIF, mit Orlando, und steht deshalb genauso in der Schusslinie wie ich.
»Mit deinem Auto ist alles in Ordnung«, erwidere ich, als wir scharf nach links abbiegen. »Clemmi, das ist übrigens Totte.«
Ein Scheinwerfer schaltet sich ein, und ich spüre die kühle Luft, die aus einem Belüftungsschacht in Augenhöhe weht. Unsere Dokumente und Bücher sind so empfindlich, dass die Luft immer kühl und trocken sein muss. Deshalb arbeitet die Klimaanlage auf Hochtouren.
Totte bleibt vor einer Regalwand mit staubigen grünen Archivboxen stehen. Etwa in Hüfthöhe befindet sich ein leeres Regal, in das man einen kleinen Holztisch montiert hat. Vor Jahren hatten die Archivare tatsächlich ihre Büros in diesem Verlies. Heute haben wir unsere Großraumbüros mit den Verschlägen. Was nicht heißt, dass Totte nicht ein paar kleine, private Plätze für sich selbst reserviert hätte.
Aus den Etiketten auf den Archivboxen schließe ich, dass hier Logbücher und Musterrollen aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts liegen. Dann wirft Totte den dicken Aktenordner auf den Tisch, Staubflocken fliegen in einer dichten Wolke auf, und mir ist klar, weswegen wir hier sind …
»Dustin Gyrich«, verkündet Totte.
»Das ist der Typ, den Sie im Verdacht haben, richtig?«, erkundigt sich Clementine. »Der seit hundertfünfzig Jahren Bücher ausleiht. Wie ist das überhaupt möglich?«
»Das ist es nicht«, erwidert Totte kühl. »Deswegen sind wir hier und tuscheln
Weitere Kostenlose Bücher