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Die Mädchen (German Edition)

Die Mädchen (German Edition)

Titel: Die Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Döhring
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das
gleiche. Er meint, ich soll ihr mehr Freiraum geben.“
    „Aber das kannst du nicht.“
    Sie zuckte mit den Achseln. „Für ihn ist das leichter. Er ist den ganzen
Tag zur Arbeit. Ich bin diejenige, die zu Hause ist und ständig damit
konfrontiert ist, dass sie in ihrem Zimmer sitzt und kein Wort mit mir wechselt.“
    Der Tee hatte lange genug gezogen. Johanna nahm die Beutel heraus, warf
sie in die Spüle und reichte Maggie ihren Becher.
    „Brauchst du Milch und Zucker?“
    „Nur Milch, wenn du hast.“
    Sie öffnete den Kühlschrank, nahm die Packung Milch heraus und gab sie
ihr. Maggie goss sich ein wenig davon in den Becher und stellte sie anschließend
auf den Tisch. Sie ließ den Becher leicht rotieren, um die Milch zu verteilen
und nahm vorsichtig einen Schluck.
    „Ich kann verstehen, dass dir das alles schwer fällt, aber wahrscheinlich
hast du keine Wahl. Du musst abwarten, bis Vicky bereit ist, wieder normal mit
euch umzugehen. Das Schlimmste, das du jetzt machen kannst, ist, irgendwie
Druck auf sie auszuüben.“
    Maggie rührte emsig im Topf herum. „Die Suppe ist jetzt soweit, denke ich.“
    Johanna nahm zwei tiefe Teller aus dem Hängeschrank neben dem Kühlschrank
und stellte sie auf die Arbeitsplatte neben dem Herd. Maggie füllte beide mit
Suppe und reichte ihr einen.
    „Du hast sicher Recht, wie alle. Ich weiß das auch.“
    Sie saßen sich gegenüber an ihrem Küchentisch und schlürften von der
extrem leckeren, heißen Suppe. Johanna wusste, dass sie den Lauch später
bereuen würde, neben Sodbrennen waren auch Blähungen an der Tagesordnung, aber
für den Moment war es ihr egal.
    „Aber es ist so verdammt schwer.“
    Johanna legte beruhigend ihre Hand auf Maggies. Sie sah, wie sich ihre
Augen mit Tränen füllten. Sie wollte ihr etwas sagen, das sie zuversichtlicher
machen würde, aber ihr fiel nichts ein.
    „Ich kann an nichts anderes denken, als dass wir sie vor vier Monaten fast
für immer verloren hätten. Wenn wir einen Moment später gekommen wären…Vor
meinem inneren Auge sehe ich sie immer am Boden liegen und der Typ über ihr,
bereit, ihr alles Mögliche anzutun.“
    Johanna drückte ihre Hand. „Hör mal, Maggie. Das musst du vergessen. Du
darfst diesem Erlebnis nicht diese Wichtigkeit einräumen. Es kann nicht sein,
dass das euer weiteres Leben dermaßen beeinflusst. Sicher, es war schlimm, aber
es ist vorbei. Denk lieber daran, dass du sie eben nicht verloren hast. Ihr
wart rechtzeitig und Vicky ist nichts Schlimmes zugestoßen. Ihr habt sie
gerettet. Es ist alles gut gegangen. Das musst du dir immer wieder sagen.“
    Maggie liefen die Tränen über die Wangen. „Mein Gott, es tut so gut, mal
mit jemandem darüber zu reden.“
    Johanna stand auf und schlang den Arm um sie.
    „Ist schon gut“, sagte Maggie nach einer Weile. „Gott, ich bin eine
richtige Heulsuse.“
    Johanna ließ sie los und reichte ihr eine Rolle Küchenpapier. Maggie riss
sich ein Blatt ab, wischte sich über die Augen und putzte sich die Nase.
    „Du hast Recht mit allem, was du sagst. Ich sag mir das selbst ja auch
immer wieder. Und mein Kopf weiß das auch. Aber dann sehe ich Vicky, wie sie
das Haus verlässt und mich überfällt eine schon fast panikartige Angst. Was,
wenn sie nicht mehr zurückkommt? Wenn ihr wieder jemand auflauert? Und wenn sie
zu Hause ist, hab ich den wahnsinnigen Zwang zu kontrollieren, ob sie auch
wirklich in ihrem Zimmer ist und sich nicht wieder heimlich raus geschlichen
hat.“
    Sie sah ihren Blick. „Du musst gar nichts sagen, ich weiß es ja selbst. Es
ist verrückt. Und es nervt Vicky fürchterlich, verständlicherweise. Aber weißt
du, was das Schlimmste ist? Ich übertrage es auch auf die anderen. Ich hab dir
ja vorhin erzählt, dass Helen heute bei einer Freundin ist. Ich kenne sie und
ihre Familie und muss mir da überhaupt keine Sorgen machen. Ich weiß genau,
dass es ihr da gut geht, aber Helen hat Tage gebraucht, bis sie mich dazu
gebracht hat, dass ich sie dort schlafen lasse. Und es macht mich innerlich
fast verrückt.“
    „Deshalb bist du hergekommen.“
    „Ich hab es zu Hause nicht mehr ausgehalten. Selbst Kevin macht mir
Sorgen. Und der ist ja nun wirklich alt genug, auf sich selbst aufzupassen. Er
will nach dem Abi ein Jahr ins Ausland. Es macht mich krank, wenn ich nur daran
denke.“
    Johanna betrachtete sie nachdenklich. Es nahm wirklich besorgniserregende
Zustände an, aber zum Glück bemerkte sie selbst, dass ihre Reaktion nicht mehr
normal

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