Die Mädchen (German Edition)
war.
„Du hast Angst loszulassen.“
„Panisch.“
„Hast du schon mal mit Holger darüber gesprochen?“
Maggie schob den halbleeren Teller von sich. „Ich hab es schon oft
versucht, aber irgendwie bin ich nicht so richtig zu ihm durchgedrungen. Ich
meine, du bist ja selbst mit einem Polizisten verheiratet, der seine Arbeit ernst
nimmt. Ihm schwirrt so viel im Kopf herum, dass er meine Ängste, glaube ich,
gar nicht so richtig wahrnimmt. Und wenn ich ihm sage, ich bin dagegen, dass
Kevin ein Jahr im Ausland verbringt, erklärt er mich für verrückt.“ Sie musste
plötzlich grinsen. „Na, das bin ich ja wohl auch.“
Es war gut zu sehen, dass sie ihren Humor noch nicht gänzlich verloren
hatte.
„Als verrückt würde ich dich nicht bezeichnen.“
Maggie lächelte. „Das ist nett von dir.“
„Im Ernst, ich kann deine Reaktion nachvollziehen, aber sie ist natürlich
schon ziemlich over the top. Jetzt sei mir bitte nicht böse, wenn ich das sage,
aber hast du vielleicht schon mal darüber nachgedacht, dir professionelle Hilfe
zu holen?“
Sie sah überrascht aus. „Warum soll ich dir böse sein?“
„Na ja, nicht jeder steht der Möglichkeit, einen Psychotherapeuten
aufzusuchen, aufgeschlossen gegenüber.“
Maggie hob und senkte die Schultern. „Ich hab da keine Berührungsängste.
Ich meine, Vicky ist ja auch bei einem. Aber ich hab schon das Gefühl, es ist
ein Zeichen von Schwäche. Ich würde es schon irgendwie gern allein schaffen.“
„Und? Schon irgendwelche Fortschritte gemacht?“
Maggie ließ den Blick zum Fenster schweifen und blieb ihr eine Antwort
schuldig. Johanna ließ ihr Zeit, lehnte sich zurück und trank in aller Ruhe
ihren Tee. Schließlich schüttelte Maggie den Kopf.
„Nein, hab ich nicht. Im Gegenteil. Es hat sich eher verschlimmert. Ich
glaube, dein Vorschlag hat echt was für sich.“
„Rede noch mal mit Holger darüber. Mal sehen, was er dazu sagt.“
Ihre Freundin nickte. „Weißt du, was mich zusätzlich auch noch belastet?
Vicky hängt fast nur vor dem Computer. Sie chattet mit Gott weiß wem und kann
nicht genug davon kriegen. Ich meine, einerseits bin ich natürlich froh, dass
sie dadurch mehr Zeit zu Hause verbringt, aber andererseits ist es doch
furchtbar ungesund, die ganze Zeit vor dem Bildschirm zu hängen.“
Johanna hörte, was Maggie sagte, aber zwischen den Zeilen empfing sie
etwas anderes. „Stört dich, dass sie viel am Computer sitzt oder dass sie
womöglich Fremden mehr anvertraut als ihrer Mutter?“
Maggie schüttelte den Kopf. „Mann, du bist echt gut. Vielleicht solltest
du mein Therapeut sein.“
„Wenn du dir das Honorar leisten kannst…“
Beide brachen in schallendes Gelächter aus. Zum ersten Mal an diesem Abend
zeigte sich Maggie so, wie sie sie kannte. Sie war wirklich betroffen gewesen
von der Veränderung, die sie bemerkt hatte. Die Maggie, die sie kennen gelernt
hatte, stand mit beiden Beinen auf dem Boden der Wirklichkeit, war patent,
hatte Kampfgeist und hätte sich durch nichts und niemandem von ihrem Weg
abbringen lassen. Diese Unsicherheit, die sie ausstrahlte, passte nicht zu ihr.
Was mit Vicky damals passiert war, musste sie völlig aus der Bahn geworfen
haben. Aber wer wollte ihr das verdenken? Wäre es nicht jeder Mutter ähnlich
ergangen? Ihr eigenes Kind war noch nicht einmal geboren und sie wusste jetzt
schon, dass sie durchdrehen würde, würde ihm etwas Schlimmes passieren.
„Das tat gut“, sagte Maggie schließlich, nachdem
sie sich einigermaßen beruhigt hatten. „Aber im Ernst. Es stimmt natürlich, was
du sagst. Ich verstehe nicht, warum sie nicht mit uns redet anstatt mit
irgendwelchen anonymen Leuten im Netz.“
Johanna hatte da so eine Ahnung. „Hast du dir schon mal überlegt, dass sie
euch womöglich nicht belasten will?“
Maggie machte große Augen. „Du meinst, sie sorgt sich um uns?“
„Daran hast du noch nicht gedacht? Für mich liegt das eigentlich auf der
Hand. Die Sache damals ist ihr passiert. Und sie sagt sich sicherlich, dass das
alles ihre eigene Schuld war, was in gewisser Weise ja auch stimmt. Wenn sie
sich nicht verbotenerweise aus dem Haus geschlichen hätte, wäre ihr auch nichts
zugestoßen. Aber sie hat euch da mit rein gezogen und sie hat gesehen, wie sehr
ihr darunter gelitten habt. Deshalb will sie euch so wenig wie möglich mit ihrer
Geschichte konfrontieren, weil sie euch schon genug hat leiden sehen. Und im
Internet kann sie ganz unbefangen über ihre Gefühle
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