Die Mädchen (German Edition)
Beziehung
wollte. Wer wusste es besser als sie, dass man sich in einer Beziehung genauso
allein gelassen fühlen konnte? Wenn sie da nur an Sebastian dachte, der seine
eigenen Bedürfnisse immer über ihre gestellt hatte. Sie rollte mit den Augen.
Wo kam der jetzt wieder her? Sie schüttelte sich, wie um sich von diesen
Gedanken zu befreien. Sie musste aufhören, ständig über ihr Leben zu sinnieren
und sich zu fragen, was alles schief lief. Was brachte es, sich da
reinzusteigern? Selbstmitleid war etwas, das sie bei anderen gar nicht leiden
konnte, da würde sie doch jetzt wohl nicht damit anfangen wollen? Wie oft hatte
sie ihrem Vater oder ihrem Bruder deshalb schon die Meinung gegeigt? Sie sollte
mal lieber anfangen, ihr Leben in die Hand zu nehmen, mal wieder mehr ausgehen
und sich mit Leuten treffen. Nur mit wem?
Sie bog in die Gartenstraße ein und
hielt unweigerlich Ausschau nach Timos Golf und dem Polo der Neuen.
Fehlanzeige. Auf der Auffahrt stand nur ihr eigener Wagen. Nachdem sie zwei Briefe,
die nach Rechnungen aussahen, aus dem Briefkasten genommen hatte, stieg sie die
Stufen zu ihrer Wohnung hoch. Drinnen hängte sie ihre Jacke an die Garderobe,
warf die Post auf den kleinen Schrank im Flur, den sie mit Kaugummipapier,
Zetteln und Handcreme ziemlich zugemüllt hatte, und entledigte sich ihrer
Schuhe, die sie vor dem Schrank stehen ließ. Was jetzt? Vielleicht was essen?
Keine schlechte Idee, hatte sie immerhin seit mittags nichts zu sich genommen.
Sie ging in die Küche und warf einen Blick in ihren Kühlschrank. Nicht wirklich
viel drin. Pizzaservice anrufen?
Wie aufs Stichwort klingelte ihr
Telefon. Wo hatte sie es hingelegt? Auf der Ladestation im Wohnzimmer war es
nicht, warum auch? Das wäre ja zu einfach. Sie versuchte, das Klingeln zu orten
und fand es neben der Toilette im Bad. Super!
„Siewers“ sagte sie in den Hörer.
Einen Moment passierte gar nichts,
aber sie hörte, wie jemand die Luft einsog.
„Hallo?“ fragte sie ungeduldig.
„Spreche ich mit Doreen Siewers?“
Eine Frauenstimme, noch jung.
Sofort war Doreen auf der Hut. Wenn ein Gespräch am Telefon so begann, konnte
das nur bedeuten, dass ihr etwas verkauft werden sollte. Vielleicht ein neuer
Telefontarif? Oder ein Zeitungsabo? Oder wollte man ihr wieder erklären, wie
sie ganz viel Steuern sparen konnte? Eigentlich eine Frechheit, dass die so
spät noch die Leute belästigten. Sie bemühte sich nicht um einen freundlichen
Ton. Wer sie um diese Zeit noch störte, konnte keine Nettigkeiten erwarten.
„Und wer ist da bitte?“
„Mein Name ist Luisa Bartelt. Das
wird Ihnen wahrscheinlich nichts sagen, aber ich bin die Freundin von Timo
Hansen. Wir sind uns neulich mal im Flur begegnet.“
Was? Doreen hätte fast den Hörer
fallen lassen. „Ja?“ war alles, was sie herausbrachte. Timos neue Freundin bei
ihr am Telefon? Woher hatte sie die Nummer? Hatte Timo sie ihr gegeben? Wohl
eher nicht. Wahrscheinlich aus dem Telefonbuch. Sie musste wirklich mal darüber
nachdenken, ob sie dort überhaupt weiterhin auftauchen wollte.
„Ich hab es schon ein paar Mal
probiert, aber Sie waren nicht zu Hause.“
Und? Ging sie das was an? Doreen
blieb stumm.
„Ich wollte Sie fragen, ob wir uns
vielleicht heute Abend noch treffen könnten.“
Doreen verzog das Gesicht. Hatte
die einen Knall? Warum, um alles in der Welt, wollte sie das?
„Es tut mir leid, aber ich kann
nicht.“
Sie freute sich auf eine schöne,
heiße Dusche und ein paar Minuten Fernsehen bei vielleicht einem Glas Rotwein
und einer Pizza Hawaii. Warum sollte sie da noch das Haus verlassen?
„Bitte, Frau Siewers, es ist mir
sehr wichtig.“
„Worum geht es denn?“
„Um Timo.“
Ach was! Darauf wäre sie jetzt gar
nicht gekommen. „Ich halte das für keine gute Idee.“ Das war noch sehr
wohlwollend ausgedrückt. Sie fand es völlig hirnrissig, sich mit der neuen
Freundin des Mannes zu treffen, mit dem sie eine kurze Affäre gehabt hatte. Was
sollte das bringen, außer dass alte Wunden aufgerissen wurden?
„Bitte, Frau Siewers“, sagte die
Frau und ihre Stimme klang regelrecht verzweifelt. „Ich würde Sie nicht darum
bitten, wenn es nicht wichtig wäre. Sie würden mir einen großen Gefallen tun.“
Und warum sollte sie das tun? Sie
kannte sie doch überhaupt nicht.
„Warum sagen Sie mir nicht einfach
am Telefon, worum es geht?“
„Ich würde es lieber persönlich
machen.“
Doreen seufzte. „Also schön.“ Sie
war echt zu gut für diese
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