Die Mädchen (German Edition)
einen Teller mit.“
Er folgte ihr in die Küche und
setzte sich an den Tisch, während sie die Suppe auf dem Herd wärmte. „Wie war
dein Tag?“ wollte sie wissen.
Er erzählte in groben Zügen, was
sie getan hatten.
„Schrecklich. Die armen Eltern.“
Sie fasste sich an den Bauch. „Wenn ich mir nur vorstelle, unserem Kind würde
irgendwann mal etwas zustoßen. Es muss furchtbar sein.“
Sie nahm zwei Teller aus dem
Schrank und füllte sie mit Suppe. Dann setzte sie sich zu ihm. Sie hatte Recht.
Die Suppe schmeckte hervorragend.
„Und wo war das andere Mädchen?“
„Keine Ahnung“, sagte er. „Das ist
nicht mehr unsere Zuständigkeit.“
„Sei froh.“
„Das bin ich auch. Aber Doreen und
ich waren heute nur in ihrer Sache unterwegs und jetzt hab ich das Gefühl, ich
hätte irgendwie umsonst gearbeitet.“
„Besser so, als würde sie morgen
als Leiche gefunden.“
Das war seine Frau. Sie brachte
immer alles auf den Punkt. „Habt ihr schon eine heiße Spur?“
„Nicht wirklich. Wir haben die
Vermutung, dass das Mädchen vielleicht als Lockvogel für Erpressungen
hergehalten hat, aber noch haben wir keinen konkreten Hinweis darauf. Dann ist
da der Freund der Schwester, der in krumme Geschäfte verwickelt ist und
scheinbar mit dem Mädchen etwas zu schaffen hatte. Und es gibt einen Aushilfstrainer,
der das Mädchen mal nach Hause gefahren haben soll.“
„Das kommt schon mal vor.“
„Das stimmt schon, aber Doreen und
ich haben wegen des verschwundenen Mädchens heute mit ihm gesprochen und da hat
er mit keinem Wort erwähnt, dass er das tote Mädchen kennt.“
„Das ist in der Tat eigenartig.“
Sie kratzte den Rest der Suppe aus ihrem Teller. „Aber da habt ihr doch ein
paar ganz nette Hinweise, denen ihr nachgehen könnt.“
Er griff nach ihrer Hand. „Ich
würde jetzt gern etwas ganz anderem nachgehen.“
Sie zwinkerte ihm mit einem
gespielt verschämten Grinsen zu. „Ich dachte schon, du wärst zu müde.“
Am Himmel waren die Sterne zu sehen
und die Luft war klar, als Doreen langsam nach Hause schlenderte. Vom BH zu
ihrer Wohnung in der Gartenstraße war es nur ein Fußmarsch von etwa zehn
Minuten und sie genoss jeden Augenblick. Es war einfach herrlich, wenn es so
ein klarer, kalter Abend war wie heute. Was für ein Glücksfall, dass sie die
Wohnung damals gefunden hatte. Sie warf trotzig den Kopf in den Nacken. Sollte
Timo sich doch treffen, mit wem er, verdammt noch mal, wollte, sie würde er
nicht aus ihrer Wohnung vertreiben. Allein dieser Luxus, zu Fuß zum Dienst
gehen zu können, war unbezahlbar. Warum sollte sie seinetwegen ein so großes
Opfer bringen und darauf verzichten? Das war er doch gar nicht wert.
Sie verstaute die Hände in den
Taschen ihrer Jacke, um sie vor der Kälte zu schützen, und schlenderte
gemächlich über den Zebrastreifen am Berliner Platz, über den man als
Autofahrer nach Moisling, Krummesse und Groß Grönau und zum Flughafen kommt. Im
Vergleich zum Tag, an dem der Kreisel zu den meistbefahrenen Stellen Lübecks
gehört, war es jetzt geradezu ruhig. Zum Glück hatte sie entschieden, ihren Wagen
nach Hause zu bringen, nachdem sie ihn am Friedhof abgeholte hatten, wo sie ihn
am Morgen hatte stehen lassen. Es tat gut, sich noch ein bisschen an der
frischen Luft aufhalten zu können.
Während sie so vor sich hin
spazierte, musste sie an ihre Kollegen denken und ihr Herz wurde ihr etwas
schwer. Sie dachte an Funke, der jetzt nach Hause zu seiner Familie unterwegs
war und an Roman, dessen schwangere Frau ihn sicher schon sehnsüchtig
erwartete. Und sie dachte auch an Glen, der frisch verliebt war und mit dem
süßen Philipp dieses Mal bestimmt mehr Glück hatte als mit dem Arsch von
Torben, mit dem er vorher zusammen gewesen war. Sie alle hatten jemanden, der
für sie da war, mit dem sie ihre Erlebnisse verarbeiten konnten oder der sie
einfach mal in den Arm nahm. Und was hatte sie? Eine schöne Wohnung, die aber
leider leer war. Niemand wartete dort darauf, dass sie endlich heimkam und ihre
Sorgen bei ihm ablegen durfte.
Meine Güte, sie hatte gar nicht
gewusst, wie sehr sie das vermisste. Alle, die die Freiheiten in den Himmel
lobten, die man als Single hatte, hatten entweder keine Ahnung oder verdrängten
das Gefühl der Einsamkeit, das einen immer wieder einholte. Sicher, sie konnte
tun, was sie wollte, aber am Ende des Tages war sie eben doch allein in ihren
vier Wänden. Natürlich hieß das nicht, dass sie um jeden Preis eine
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