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Die Mädchen (German Edition)

Die Mädchen (German Edition)

Titel: Die Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Döhring
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Überleg mal. Es geht um ein Mädchen. Eine Vierzehnjährige. Jeder möchte, dass
der Fall so schnell wie möglich aufgeklärt wird. Ich möchte nicht wissen, was
da für ein Druck von allen Seiten auf Dad ausgeübt wird.
Und dann führt eine Spur zur nächsten und so weiter und weiter, immer in der
Hoffnung, dass gleich ein Durchbruch erzielt wird. Ist doch klar, dass Dad dabei nicht den Kopf für andere Dinge hat.“
    Sicher, es klang ein bisschen, als
ob Vicky zuviel 24 gesehen hatte, aber es war schon was Wahres dran. Wenn sie
so darüber nachdachte, kam sie sich richtig dumm vor. Und ihre Tochter war noch
nicht einmal fertig.
    „Und versetz dich mal in die Lage
der Eltern. Die wollen, dass der Mörder so schnell wie möglich gefasst wird.
Ich weiß nicht, wie die reagieren würden, wenn die Ermittlungen warten müssen,
weil der Boss zu einem Infoabend an der Schule muss.“
    Damit hatte sie sie. Sie musste
sich nicht mal in die Lage der Kellers versetzen, zu real waren ihre eigenen
Erinnerungen an die Angst, dass Vicky etwas zugestoßen sein könnte. Sie hätte
kein Verständnis dafür gehabt, wenn der ermittelnde Beamte private
Verpflichtungen vor die Belange ihrer Tochter gestellt hätte. Kurios. Da musste
erst ihre Tochter kommen, um die Prioritäten ins gerade Licht zu rücken.
    „Du hast Recht“, stieß sie hervor
und ergriff ihre Hand. „Mit allem, was du gesagt hast. Ich bin egoistisch
gewesen. Wieso hab ich das nicht gemerkt?“
    Vicky winkte ab. „Wenn man von
außen auf etwas sieht, hat man oft einen ganz anderen Blickwinkel, das weißt du
doch.“
    „Du bist so klug.“
    Vicky schüttelte nur den Kopf und
einen Moment fürchtete Maggie, dass sie sie mit ihren Worten verschreckt hatte
und sie gleich Reißaus nehmen würde. Aber Vicky blieb.
    „Ich hab neulich mit Dad geredet“, sagte sie nach einer Weile.
    Maggies Herz begann zu klopfen.
Sollte Holger Recht behalten und Vicky taute langsam wieder auf? Es wäre fast
zu schön gewesen, um wahr zu sein. Sie blieb stumm und wartete ab, was da noch
kommen würde. Sie wollte keinen Fehler machen und womöglich sagen, dass sie von
der kleinen Unterhaltung wusste. Ihre Kinder waren allesamt sehr empfindlich,
was Vertrauen betraf, und sie wollte nicht riskieren, dass Vicky wütend auf
ihren Vater wurde, dass er nicht den Mund gehalten hatte. Zu oft hatten sie
sich damit in der Vergangenheit Ärger eingehandelt.
    „Ich weiß, dass er dir davon
erzählt hat“, überraschte sie sie.
    „Er hat es nur gut gemeint“,
beeilte sie sich zu versichern.
    „Ist schon gut. Ich wollte dir nur
sagen, ich hab gestern mit Dr. Reimann darüber gesprochen. Und er hat dasselbe
gesagt wie Dad. Dass ich kein schlechtes Gewissen haben muss.“
    Ihr Herz brach, wie sie ihre
Tochter sich winden sah. „Das musst du auch nicht.“
    Tränen sammelten sich in ihren
Augen. „Das weiß ich. Rational, meine ich. Aber das Gefühl kann ich nicht
abstellen.“
    Maggie stand auf und schlang von
hinten die Arme um sie, alle Vorsicht über Bord werfend. Sie konnte es einfach
nicht mehr mit ansehen, wie sie so still vor sich hin litt. Sie spürte, wie
Vicky sich zunächst versteifte, aber sich dann doch in ihre Umarmung sinken
ließ. Gott, fühlte sich das toll an. Sie wusste schon gar nicht mehr, wann sie
ihre Tochter das letzte Mal so berührt hatte.
    „Alles wird gut“, sagte sie und
damit brachen bei Vicky alle Dämme. Sie weinte hemmungslos in ihren Armen und
ihr Körper erbebte dabei förmlich. Ihr selbst ging es nicht anders. Still
dankte sie dem lieben Gott, dass sie endlich ihre Tochter wieder hatte.
    Nachdem sie sich beruhigt hatten,
saßen sie sich wieder gegenüber, beide Taschentücher in der Hand, die sie immer
wieder brauchten, um ordentlich auszuschnauben.
    „Ich kann nicht fassen, wie
bescheuert ich gewesen bin“, sagte Vicky kopfschüttelnd. „Wie konnte ich mich
nur in eine solche Gefahr begeben?“
    „Du konntest ja nicht wissen, worum
es ging. Mach dir bitte keine Vorwürfe mehr. Wichtig ist nur, dass du heil und
gesund wieder da bist.“
    „Aber das Mädchen in Dads Fall wird
nicht wieder heil zurückkommen.“
    Nein, das würde sie nicht. Und so
schlimm das auch war, wusste Maggie auch, dass ihr Tod dazu beigetragen hatte,
dass Vicky wieder vernünftig mit ihr redete.
     
    Almut Keller hatte keine angenehme
Nacht hinter sich. Sie hatte immer noch nicht realisiert, dass ihre Tochter tot
war, ermordet. Mit Schaudern dachte sie daran, wie sie dort in der

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