Die Mädchen (German Edition)
heftig
reagiert, wenn sie nicht noch so aufgewühlt gewesen wäre?
Frisch geduscht und angezogen stand
sie eine knappe halbe Stunde später in der Küche und schnitt ein paar Scheiben
Schwarzbrot ab, die sie den Kindern in die Schule mitgeben wollte, während ihre
Familie am Tisch saß und jeder seinem morgendlichen Ritual nachging. Helen aß
ihr Müsli, Kevin und Vicky stritten sich um den frischen Toast und Holger
genoss seine erste Tasse Morgenkaffee, bevor er sich um Toast für sich selbst
kümmerte.
„Wie war es in der neuen Schule?“
fragte Helen eifrig kauend.
„Schluckst du bitte erst mal
runter, bevor du mit uns sprichst?“ rügte ihr Vater freundlich.
Maggie brauchte sich nicht
umzudrehen, um zu wissen, dass Helen mit den Augen rollte. „Also?“ fragte sie
schließlich, nachdem sie ihren Mund leer gemacht hatte.
„Dein Vater kann dir dazu nichts
sagen. Er war nicht da.“ Sie konnte sich nicht bremsen.
Holger suchte seufzend ihren Blick.
„Ich hatte leider zu tun. Aber deine Mutter kann dir sicherlich etwas erzählen.“
Sie setzte sich zu ihrer Familie an
den Tisch. „Es war nett. Ich glaube, es ist eine schöne Schule. Und du kannst
im Musikunterricht auch Klavier spielen.“
Helens Augen leuchteten. „Toll. Und
hast du schon Lehrer kennen gelernt?“
„Ja. Die Lehrer mit den
Hauptfächern und der Musiklehrer waren alle da. Die haben sich vorgestellt und
uns erzählt, was sie mit euch vorhaben. Es gibt noch mal einen Termin an einem
Samstag nach den Osterferien, damit wir mit dir hingehen können.“
Sie betonte das wir und sah
zu Holger hinüber, der sich erhob. „Ich muss los.“
Er gab ihr einen Kuss auf die
Wange, nahm das Brot, das sie für ihn fertig gemacht hatte, und verließ die
Küche. Es dauerte nicht lange und auch Helen und Kevin waren aufgebrochen, sodass
sie mit Vicky allein war.
„Möchtest du noch Kaffee?“
Es war eine rein rhetorische Frage,
denn die Antwort kannte sie bereits. Vicky musste dienstags erst später in der
Schule sein, aber es war klar, dass sie sich nicht länger als nötig mit ihr in
der Küche aufhalten würde. Stattdessen würde sie in ihrem Zimmer hocken und im
Internet chatten oder twittern oder wie sie das sonst auch immer nannten. So
war es seit Wochen abgelaufen, doch heute überraschte ihre Tochter sie.
„Gern.“
Schon im Begriff, den Rest aus der
Kanne in den Ausguss zu schütten, drehte sie sich um und goss ihrer Tochter noch
eine Tasse ein. Dabei merkte sie, wie diese sie aus den Augenwinkeln musterte.
„Was?“
„Ihr habt euch gestritten.“ Keine
Frage, sondern ein ganz ruhige Feststellung.
Sie hasste es, wenn ihre Kinder
mitbekamen, dass es zwischen Holger und ihr zu Unstimmigkeiten gekommen war.
„Ja“, gab sie mit einem Seufzer zu.
„Warum?“
Normalerweise wäre sie der Frage
vielleicht ausgewichen, aber das hier war das erste Mal seit langem, dass ihre
Tochter echtes Interesse an einer Unterhaltung mit ihr zeigte, und den Moment
wollte sie, nein musste sie, ausnutzen.
„Du hast es doch gehört, vorhin. Er
hat den Elternabend im Johanneum verpasst.“
Vicky zog die Augenbrauen hoch.
„Das ist alles?“
„Er hatte es mir versprochen.“ Sie
fand selbst, dass es kleinlich klang.
„ Mum ,
ist das dein Ernst?“
„Der Termin stand schon so lange
fest.“
Vicky nahm einen Schluck aus ihrer
Tasse und stellte sie wieder ab. „Na und? Du weißt doch, dass Dad an einem Fall arbeitet. Das geht eben vor.“
Toll, dass sie sich von ihrer
halbwüchsigen Tochter belehren lassen musste. Noch dazu von einer, die momentan
selbst nicht wusste, wie sie mit ihrer Familie umgehen sollte.
„Aber für zwei Stunden hätte er
sich ruhig freischaufeln können.“
Vicky schüttelte den Kopf. „Und die
anderen arbeiten ohne den Boss weiter? Du weißt doch, wie Dad ist. Das würde er niemals zulassen.“
Was sollte sie sagen? Sie wusste es
ja wirklich. Holger verlangte niemals etwas von seinen Mitarbeitern, wozu er
nicht selbst bereit war. Er ging mit gutem Beispiel voran und wäre eher der
letzte im Dienst, als der erste, der ging. Bevor er einen seiner Leute mit
einer zusätzlichen Aufgabe betraute, die von diesem Überstunden abverlangte,
erledigte er sie lieber selbst. Er hatte also gar nichts anderes tun können als
im Dienst zu bleiben. Aber es ging ja auch darum, dass er überhaupt nicht mehr
an den Termin gedacht hatte und das sagte sie Vicky auch, die für ihre Reaktion
wenig Verständnis zeigte.
„Komm, Mum
Weitere Kostenlose Bücher