Die Mädchen (German Edition)
gehabt.“
Und plötzlich wusste Doreen, was
Panowskys Plan gewesen war. „Können Sie uns eigentlich mal Ihr Ticket zeigen?“
Er holte ein weißes Blatt Papier
aus seiner Gesäßtasche und reichte es ihr. Es war ein Ausdruck der Bestätigung
der Internetbuchung bei Ryanair.
„Nur ein Hinflug? Wollten Sie in
London bleiben?“
Er zögerte mit der Antwort und sie
fühlte sich in ihrer Ahnung bestätigt. „Nein. Von Stansted sollte es weiter
nach Bangkok gehen.“
„Thailand? Auch nur Hinflug?“
„Ja.“
„Wollten Sie auswandern?“
Er zögerte erneut. „Nein. Ich hatte
gedacht, ich bleibe solange, wie es mir gefällt. Ich war noch nie dort und
wollte mich nicht gleich mit einem Rückflug festlegen.“
„Ach so.“ Doreen tat, als fand sie
sein Vorgehen völlig verständlich, als wäre es das Normalste der Welt, während
des Semesters auf unbestimmte Zeit zu verreisen. Dabei glaubte sie ihm allerdings
kein Wort. Sie berührte Funke leicht am Arm. „Kommen Sie bitte einen Moment mit
mir nach draußen?“ Mit einem Lächeln wandte sie sich an Panowsky. „Wir sind
gleich wieder bei Ihnen.“
Funke fragte nicht, warum er mit
ihr gehen sollte, aber er war sichtlich erstaunt.
„Was ist los?“ fragte er vor der
Tür.
„Er lügt.“
„In welcher Beziehung?“
„Woher weiß er, dass Tuchel einen
Selbstmordversuch unternommen hat?“
Funke hob und senkte die Schultern.
„Er wird den Funk abgehört haben.“
„Das wird er uns weismachen
wollen“, sagte Doreen aufgeregt. „Das denke ich auch.“
„Und Sie glauben, er weiß es,
weil…?“
„Gab es irgendwelche Zweifel daran,
dass es sich um einen Selbstmordversuch gehandelt hat?“
Funke machte große Augen. „Sie
meinen, er hat versucht, ihn zu töten?“
„Ja. Ich hab die ganze Zeit
gedacht, dass irgendetwas da nicht stimmt, aber ich bin einfach nicht drauf
gekommen, was es war. Als wir ihn besucht haben, hat Tuchel nicht den Eindruck
gemacht, als ob er verzweifelt war. Er war wütend, das ja, aber er hatte keine
Angst vor uns. Er war ein Kämpfer, hatte schon auf eigene Faust etwas über den
Verfasser der Artikel in der Zeitung herausgefunden. Der Selbstmord passte
überhaupt nicht.“
„Wie soll Panowsky das angestellt
haben?“
Doreen merkte, dass sie knallrot
geworden war. Die Aufregung. Funke war noch nicht überzeugt, aber sie hatte
sein Interesse geweckt.
„Die Doerner hat mit ihm Kontakt
aufgenommen, nachdem Tuchel sich bei ihr gemeldet hatte. Daraufhin hat er ihr
gesagt, dass sie ihm die Schuld geben soll. Ich wette, dann hat er sich mit
Tuchel in Verbindung gesetzt und einen Termin abgemacht. Vielleicht hat er ihm
versprochen, eine Gegendarstellung zu schreiben oder so. Jedenfalls hat er ihn
aufgesucht und ihn dann gezwungen, den Brief zu schreiben und sich selbst die
Schlinge umzulegen. Er hätte nur noch etwas länger bei ihm warten müssen, um zu
sehen, dass Tuchel auch wirklich tot war. Aber wahrscheinlich musste er schnell
verschwinden, weil Tuchels Mutter auftauchte.“
„Wie soll er ihn dazu gezwungen
haben?“
„Mit einer Waffe. Ich wette, dass
wir eine bei ihm finden werden. Oder zumindest einen Hinweis darauf, dass er
eine erworben hat.“
Funke nickte langsam. „Okay, das
könnte alles so passiert sein. Aber warum hat er ihn in dem Brief den Mord an
Sina bestreiten lassen? Wäre es nicht einfacher gewesen, wenn er den auch gestanden
hätte?“
Das hatte sie auch schon gedacht,
aber Panowsky war nicht dumm. „Weil er wusste, dass Tuchel das nicht gewesen
sein konnte. Und er konnte nicht riskieren, dass wir womöglich einen anderen
Täter finden und dann darauf kommen, dass der Abschiedsbrief nicht echt gewesen
sein konnte. Das Risiko konnte er nicht eingehen.“
Je mehr sie darüber sprach und ihre
Gedanken in Worte formte, desto überzeugender kam ihr ihre Theorie vor.
„Sie glauben also, er wollte sich
aus dem Staub machen.“
„Das ist ja wohl offensichtlich.
Sollte Tuchel doch noch aus dem Koma erwachen, wäre er erledigt.“
Funke sah sie anerkennend an. „Alle
Achtung, Siewers. Sie haben es echt drauf. Ich bin fast überzeugt. Aber was ist
mit Sina Keller?“
Sie schüttelte den Kopf. „Das
glaube ich ihm. Mit dem Mord hat er nichts zu tun. Er hat die Chance genutzt
und das für seine Zwecke ausgenutzt. Und deshalb hatte er den Polizeifunk. Er
hatte von Anfang an vor, Tuchel zu ermorden. Irgendwann hätte sich schon eine
passende Gelegenheit ergeben. Dass es so schnell ging, damit hatte
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