Die Mädchen (German Edition)
ausgenutzt hatte und Tuchel in den Selbstmord getrieben
hatte, war sie in der Richtung immun.
„Darf ich eine rauchen?“ fragte er,
nachdem sie Platz genommen hatten. Ihr war gar nicht aufgefallen, wie hoch
seine Stimme war. Man konnte fast meinen, er hatte den Stimmbruch noch nicht
vollständig überwunden.
„Hier nicht, leider“, sagte Funke
ohne Bedauern in der Stimme. „Rauchen ist in allen öffentlichen Gebäuden
verboten.“
Er zuckte gleichgültig die Achseln.
„Dann eben nicht.“
„Sie wissen, warum Sie hier sind?“
„Ich nehme an, weil ich mich als
jemand anderen ausgegeben habe.“
„Gibt es einen Mirco Hachmeister?“
„Nicht in der Gegend hier. Es ist
ein reiner Fantasiename. Ich wollte ja niemanden in die Sache hineinziehen.“
„Bei Frau Doerner hatten Sie da ja
weniger Mitleid.“ Es war Doreen herausgerutscht, ohne dass sie einen zweiten
Gedanken daran verschwendet hatte.
Er verzog keine Miene. „Die hatte
doch selber Schuld. Sie hat sich ja förmlich angeboten. So nötig, wie die es
gehabt hat, hatte die noch nie einen Kerl. Oder zumindest seit Jahren nicht.“
Doreen hätte ihm für diese
abfällige Bemerkung am liebsten ins Gesicht geschlagen. Funke sah ihren Blick
und schüttelte fast unmerklich den Kopf.
„Warum haben Sie sich einen anderen
Namen gegeben?“
Er warf Funke einen Blick zu, der
deutlich sagte, dass er ihn für begriffsstutzig hielt. „Ist das nicht
offensichtlich? Ich wollte mich an dem Mörder meiner Schwester rächen. Jeder
hätte doch sofort gewusst, was ich vorhabe, wenn ich meinen richtigen Namen
benutzt hätte.“
„Herr Tuchel ist doch für den Mord
verurteilt worden.“
Panowsky schnaubte. „Pah. Die zehn
Jahre. Lebenslänglich hätte er kriegen müssen. Stattdessen ist er nach acht
Jahren wieder draußen. Finden Sie das gerecht?“
„Ich glaube an unser Rechtssystem“,
wich Funke einer direkten Antwort aus.
„Sie verstehen das nicht. Meine
kleine Schwester hatte keine Chance. Warum sollte ihr Mörder eine haben? Ich
wollte ihm das Leben so schwer wie möglich machen.“
„Indem Sie ihm einen Mord
anhängen?“
Er zuckte mit den Achseln. „Das war
nicht mein Plan. Das hat sich zufällig ergeben. Aber als ich hörte, dass ein
Mädchen ermordet worden ist, konnte ich mein Glück kaum fassen.“
„Glück?“ Funke schrie das Wort
beinahe heraus. „Da wird ein Mädchen ermordet und Sie reden von Glück?“
Panowsky blieb ungerührt. „Ich
weiß, dass Sie das nicht nachvollziehen können. Aber ich kannte das Mädchen
nicht und mir war alles recht, das ich gegen den Scheißkerl verwenden konnte.“
Unglaublich. Doreen hatte bei
seinen Worten die Luft eingesogen und pustete sie jetzt wieder aus. Wie konnte
jemand den Mord an einer Vierzehnjährigen nur für sich ausnutzen?
„Mann, was sind Sie für ein
gefühlskalter Bastard.“ Funke war ebenfalls entsetzt.
Panowsky beugte sich vor und kniff
die Augen zusammen. „Jetzt sag ich Ihnen mal was. Meine Schwester ist brutal
vergewaltigt und dann bestialisch ermordet worden. Der Mörder redet sich
heraus, dass er sich nicht erinnern kann und kommt mit zehn Jahren Strafe
davon. Meine Eltern sind darüber zerbrochen. Mein Vater hatte einen
Herzinfarkt, den er nicht überlebt hat. Mit zweiundvierzig! Meine Mutter hat
sich zwei Monate danach das Leben genommen, weil sie das alles nicht mehr
ertragen konnte. Und jetzt kommen Sie mir bitte nicht damit, wo mein Mitgefühl
ist. Das ist vor vielen Jahren mit meiner Mutter begraben worden.“
Mit jedem Wort war er lauter
geworden und seine Stimme schriller. Doreen konnte sehen, wie eine Ader an seiner
rechten Schläfe pochte. Jetzt brodelte es in ihm. Na, zumindest hatte er doch
so etwas wie Emotionen in sich, wenn es um seine Familie ging. Sie hatte nicht
gewusst, dass seine Eltern tot waren, weil sie sich in ihren Nachforschungen
nur auf ihn konzentriert hatte, aber seine Enthüllung erklärte zumindest in
Ansätzen seine Verbissenheit.
„Und seither haben Sie verfolgt,
was mit Tuchel passiert?“
„Ja. Es verging kein Tag, an dem
ich nicht an ihn gedacht habe. Ich hab gehofft, er würde im Knast verrotten,
aber so viel Glück hatte ich ja nicht. Ich war fassungslos, als ich gehört
habe, dass er vorzeitig entlassen wird. Ich hab mich an dem Tag vor dem
Gefängnis postiert, um ihn zu fotografieren, damit das Bild in die Zeitung
kommen konnte. Aber am liebsten hätte ich mich auf ihn gestürzt und ihn
erwürgt, als er da so mitleidserregend
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