Die Mädchen (German Edition)
gelöst hatte.
„Nein“, erwiderte ich, obwohl ich
nichts lieber getan hätte. „Tut mir leid.“ Wie sehr, ahnte sie nicht.
„Und morgen?“
Ich stutzte. „Du hast gesagt, es
ist ein Notfall, eine Ausnahme.“
Sie verschränkte die Arme vor der
Brust und schob die Unterlippe vor. Niedlich. „Du hast mir gesagt, ich kann
immer hierher kommen, wenn ich Probleme hab.“
Das hatte ich, aber davon, dass sie
über Nacht von zu Hause wegbleiben sollte, hatte ich nichts erwähnt.
Angenommen, ihre Eltern waren doch nicht so gleichgültig, wie sie mir
weismachen wollte, und versuchten herauszufinden, wo sie war. Das konnte mich
in ziemliche Schwierigkeiten bringen.
„Das kannst du auch. Und heute
Nacht kannst du ja auch hier bleiben, aber morgen musst du wieder nach
Hause.“
„Ich weiß.“ Sie seufzte. „Leider.
Aber das hab ich ja auch nicht gemeint. Können wir uns morgen nicht noch mal
sehen?“
Unter normalen Umständen hätte ich
mich wahrscheinlich darauf eingelassen, aber ihr Timing war einfach schlecht.
„Hör mal, wir wollen doch nicht,
dass man uns hinterher schnüffelt. Ich muss im Moment echt vorsichtig sein.
Also morgen geht bei mir gar nicht.“
Enttäuscht drehte sie sich um und
gewährte mir dabei einen Blick auf ihren wohlgeformten Hintern, der durch ihren
Slip nicht wirklich verdeckt wurde. Ein herrlicher Anblick, der meinen Entschluss
beinahe ins Wanken brachte.
„Bist du dir ganz sicher, dass du
nach Hause willst?“ sagte sie in verführerischem Ton und drehte ihren Kopf
leicht in meine Richtung.
Oh ja, sie wusste genau, welche
Knöpfe sie zu drücken hatte. Es wurde mir immer klarer, dass sie es war, die
von Anfang an die Zügel in der Hand gehabt und die Regeln für unser Spiel bestimmt
hatte.
Achtzehntes Kapitel
Frohloff und Siewers parkten ihren
Wagen in der Straße, in der das Haus der Kellers stand. Nach den Berichten in
der Zeitung und im Fernsehen, in denen Aufrufe an Zeugen gestartet worden
waren, hatte sich eine Frau gemeldet, die an jenem Nachmittag jemanden gesehen
haben wollte, der nicht in die Straße gehörte. Es waren wie immer in solchen
Fällen Hunderte von Hinweisen eingegangen, von denen neunzig Prozent totaler
Quatsch waren. Schon an der Art, wie sich die Leute am Telefon verhielten,
konnte das geschulte Ohr erkennen, ob der Anrufer ernst zu nehmen war oder
nicht. Die Zentrale hatte danach entschieden, dass diesem Hinweis nachgegangen
werden sollte. Da zur Zeit des Anrufs niemand von ihnen erreichbar gewesen war,
hatte auch keiner mit der Frau gesprochen, weshalb sie relativ unvorbereitet
waren.
„Ich glaube ja nicht an den großen
Unbekannten“, sagte Siewers, als sie ausstiegen.
„Ich auch nicht“, meinte Frohloff.
„Aber du weißt ja, wie das ist. Wenn wir dem Hinweis nicht nachgehen, heißt es,
wir machen unsere Arbeit nicht richtig. Und wenn es um ein junges Mädchen geht,
sind alle doppelt aufmerksam, was unsere Arbeit betrifft.“
„Aber warum hat die Frau nicht bei
der ersten Befragung etwas von ihrer Beobachtung gesagt? Die ganze
Nachbarschaft ist doch gleich am Donnerstag und am Freitag von den Kollegen der
SOKO befragt worden. Das ist jetzt eine Woche her. Ich kann mir nicht vorstellen,
dass das hier noch was bringen soll.“
„Das werden wir gleich
herausfinden. Ich hoffe nur, dass das keine Aufschneiderin ist.“
Sie gingen die Auffahrt zu dem Haus
hinauf, dessen Adresse ihnen von der Zentrale mitgeteilt worden war. Das Haus,
in dem die Zeugin wohnte, befand sich etwa zweihundert Meter vom Haus der
Kellers entfernt auf der anderen Straßenseite. Es war ein schönes Doppelhaus,
dessen rechte Hälfte erst vor kurzem ein neues Dach verpasst bekommen hatte.
Wie sah das denn aus? Waren die Nachbarn sich nicht grün? Ansonsten machte man
so etwas doch gemeinsam. Für Frohloff war es undenkbar, dass Johanna und er ihr
Reihenhaus äußerlich veränderten, ohne das mit der Eigentümerversammlung
abzusprechen, damit das Bild einheitlich blieb. An der Haustür stand in
verschnörkelter Schreibschrift der Name Eggers auf einem auf Ton gebrannten
Schild. Er betätigte die Klingel, die einen Gong auslöste, der ihn an das
Pausenklingeln in seiner Schulzeit erinnerte.
„Moment“, hörten sie von drinnen
eine resolute Frauenstimme. Keine zehn Sekunden später wurde die Tür
aufgerissen und eine Frau von beachtlicher Statur stand vor ihnen. Sie war etwa
so groß wie er, also knapp einsachtzig, und wog bestimmt neunzig Kilo. Sie war
um die
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