Die Mädchen (German Edition)
vor dem Haupttor stand. Das können Sie
mir glauben.“
Es sprach so viel Hass aus seinen
Worten, dass Doreen ihm das ohne Zögern abnahm.
„Warum haben Sie das nicht getan?
Was hat Sie zurück gehalten?“
„Soll ich ehrlich sein? Seine
Mutter. Wenn die nicht plötzlich aufgetaucht wäre, hätte ich für nichts
garantieren können.“
Doreen nickte. „Den Plan für den
Artikel hatten Sie aber schon vorher fertig.“
Mittlerweile hatte sich sein Ton
wieder gemäßigt, auch wenn das Pochen der Ader an der Schläfe nicht aufgehört
hatte. „Natürlich. Ich wusste ja schon Wochen vorher von dem Entlassungstermin.
Da hab ich dann Anna-Lena kennen gelernt.“
„Frau Doerner behauptet, Sie hätten
ihr aufgelauert.“
Er lachte laut auf. „Hat sie es
jetzt endlich geschnallt? Ja. Ich hab ein paar Tage lang vor dem Gebäude
gewartet, wer da alles herauskam und bin der einen oder anderen Frau nachgegangen,
um zu sehen, welche am ehesten für meine Zwecke in Frage kommt. Meine Wahl fiel
fast sofort auf sie. Es war klar, dass sie keinen Freund hatte und sie
anzusprechen, war mehr als einfach.“
„Sagen Sie“, mischte Funke sich
ein. „Wie halten Sie sich eigentlich über Wasser? Wenn Sie den ganzen Tag Leute
beobachten, gehen Sie wohl keiner Arbeit nach.“
„Als Student kann ich mir meine
Zeit recht flexibel aufteilen. Und was das Geld betrifft…Ich hab natürlich ein
Polster durch das Erbe meiner Eltern.“
Das erklärte einiges. Doreen
schätzte, dass es nicht so wenig Geld war, das er zur Verfügung hatte, wenn sie
seine Kleidung betrachtete. Jeans und T-Shirt waren auf den ersten Blick zwar
nichts Besonderes, aber sie konnte sehen, dass es sich um Markenware handelte.
Dasselbe galt für seine Turnschuhe und seine braune Lederjacke mit dem
Fellkragen.
„Mich interessiert noch etwas
anderes“, sagte Funke. „Woher haben Sie eigentlich gewusst, dass wir auf dem
Friedhof eine Leiche gefunden hatten?“
Er blickte von einem zum anderen
und zog die Augenbrauen hoch. Es war klar, dass er wusste, was Funke mit dieser
Frage andeuten wollte.
„Wenn Sie glauben, ich würde ein
Mädchen töten, dann irren Sie sich. Ich wollte mich an Tuchel rächen, das ja,
aber ich hätte niemals deswegen jemandem Unschuldigen etwas angetan. Noch dazu
einem Mädchen, das so alt war wie meine Schwester damals. Das war alles ein
großer Zufall. Über das Internet hab ich jemanden kennen gelernt, der mir
gezeigt hat, wie ich den Polizeifunk abhören kann, ohne dass jemand etwas davon
bemerkt.“
Er schüttelte den Kopf, als er ihre
Blicke bemerkte. „Wenn Sie glauben, ich verrate Ihnen dessen Namen, können Sie
das getrost vergessen. Jedenfalls hab ich gehört, wie der Leichenfund durchgegeben
wurde. Ich hab mich gleich auf den Weg zum Friedhof gemacht, in der Hoffnung
noch ein paar Details zu erfahren, aber das hat leider nicht geklappt.“
Doreen musterte ihn nachdenklich.
„Irgendetwas stimmt doch nicht an Ihrer Geschichte.“
Er wirkte überrascht. „Was meinen
Sie?“
„Was hat das Abhören des
Polizeifunks mit Ihrer Rache an Tuchel zu tun?“
„Gar nichts, ursprünglich
jedenfalls. Das war nur so ein Hobby von mir. Ich konnte ja nicht ahnen, dass
mir das irgendwann mal bei meiner Rache helfen würde.“
„Woher wussten Sie, dass ich die
Ermittlungen leite?“ wollte Funke wissen.
„Das war kinderleicht.“ Er grinste
regelrecht in sich hinein. „Ich hab einfach den Beamten vor dem Friedhof
gefragt, ob Hauptkommissar Großmann schon da wäre. Und da sagte der mir, dass
er von dem Mann noch nichts gehört hätte und nannte mir stattdessen Ihren
Namen.“
Doreen stöhnte innerlich auf. Das
war ja toll, wenn sie sich alle so leicht austricksen ließen.
„Was hätten Sie unternommen, wenn
das Mädchen nicht ermordet worden wäre?“
Er fuhr sich mit der rechten Hand
durch sein Haar. „So genaue Pläne hatte ich nicht. Ich hatte gehofft, das
Schwein durch ein paar Artikel in der Zeitung fertig zu machen. Dass er keinen
Job kriegt, kein Bein an die Erde bekommt. So etwas in der Art.“
Doreen musterte ihn nachdenklich.
Irgendetwas sagte ihr, dass er in diesem Moment log. Er hatte genau gewusst,
was er mit Tuchel vorgehabt hatte. Er hatte viel zu viel auf sich genommen, als
dass er einfach die Entwicklungen abgewartet hätte.
„Na ja, jetzt haben Sie ja Ihr Ziel
erreicht“, klopfte sie auf den Busch.
„Ja. Obwohl mir lieber wäre, er
hätte Erfolg mit seinem jämmerlichen Selbstmordversuch
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