Die Mädchenakademie
hätte sie niemals gerechnet. Er duftete frisch geduscht nach einem herben Waschgel. Sein Oberkörper war nackt, er trug nur eine Jeans. Seine Augen strahlten in einem warmen Hellbraun. Bartstoppeln waren bereits zu erkennen. Wie gut er aussah! Er war die Verführung pur, und seine Attraktivität schüchterte sie ein.
Bevor sie ihren Mittelfinger am Rock abwischen konnte, umschlang er ihr Handgelenk und führte es zu seinem Mund. Emma wehrte sich, doch sein Griff war unnachgiebig. Erst roch er an ihrem Finger, dann nahm er ihn zwischen seine Lippen und leckte ihn ab, ohne den Blick von ihr zu nehmen.
Emma stockte der Atem. Ihr brach der Schweiß aus. Sie hatte keine Unterwäsche an, aber jetzt war ihr selbst der dünne Stoff ihrer Bluse und ihres Rocks zu viel. Ihre erigierten Brustspitzen zeichneten sich ab, und sie schämte sich für alles, sogar für die Verschämtheit selbst. Megan hätte sicherlich vollkommen cool reagiert, ihre Arme um seinen Hals geschlungen und ihn auf sich gezogen. Emma dagegen verhielt sich wie ein scheues Reh.
»Ich möchte mehr von dir kosten«, bat er leise, damit die Gruppe im Wald ihn nicht hörte.
Energisch schüttelte sie ihren Kopf. »Nein.«
»Warum nicht?« Sein Daumen streichelte ihr Handgelenk.
Ja, warum eigentlich nicht? Weil sie Fremde waren. Und es bestimmt nicht bei der Verkostung ihres Nektars bleiben würde.
Weil sie ihn bei ihrer Ankunft auf ein Podest gestellt hatte. Er war zu erwachsen, zu männlich, um Interesse an ihr zu haben, hatte sie gedacht. Und nun war sie schockiert, dass ihre Fantasie auf einmal zum Greifen nah war.
Weil die Mädchen ihr nie verzeihen würden, wenn sie mit ihm schlief. Schließlich war er die Trophäe, die nur der Gewinnerin am Ende der Ferien zustand.
Weil es ihm egal war, wer das sein würde. Er würde es mit jedem der Mädchen treiben. Vielleicht hatte er das sogar schon, und sie stand einfach nur auf seiner Liste, weil sie neu dazugestoßen war.
Zorn wallte in ihr auf.
»Ich bin nicht so leicht zu haben wie du«, warf sie ihm an den Kopf und entriss ihm ihre Hand. Sie sprang auf, schob ihren Rock herunter und rannte geduckt aus der Gartenanlage, ohne sich noch einmal umzuschauen.
Vielleicht hatte sie gerade eine Dummheit begangen und ihre einzige und letzte Chance vertan. Aber sie konnte sich nicht mit Christian einlassen, ohne Gefühle zu investieren, deshalb musste sie sich von ihm fernhalten. Er würde sie nur verletzen, da er davon ausging, dass sie genauso abgebrüht wie die anderen Lolitas war.
Eben noch hatte sie davon geträumt, an Hollys Stelle zu sein, und nun, da Christian aufgetaucht war, zweifelte sie plötzlich daran, ob sie den Erwartungen des Clubs überhaupt annähernd gerecht werden konnte.
10
»Moment, Fräulein!« Emma hatte Corben J. Hoodle gar nicht gesehen und wäre in der Eingangshalle fast an ihm vorbeigerannt.
Alles, was sie wollte, war sich auf ihrem Zimmer zu verkriechen, ein Bad zu nehmen und über Christian nachzudenken. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Er hatte versucht, sie zu verführen! Hätte er sie doch nur ein wenig bedrängt, dann könnte sie entweder stinksauer auf ihn sein oder hätte sich ihm doch hingegeben. Aber er war ganz Gentleman gewesen.
Plötzlich fragte sie sich, ob das vielleicht ein Test des Geheimclubs war, Teil zwei ihrer Aufnahmeprüfung. Christian war Tabu für die Mitglieder. Wäre Emma seinem Charme erlegen gewesen, hätte sie mächtigen Ärger bekommen oder wäre draußen gewesen, bevor der Spaß erst richtig begonnen hatte.
Der Direktor kam zu ihr und musterte sie streng. Hatte sie etwas verbrochen?
Bevor er etwas sagen konnte, kam Christian aus dem Garten in die Halle. Emmas Blick traf seinen. Verlegen sah sie weg, denn sie spürte bereits wieder, wie eine verräterische Hitze in ihre Wangen schoss.
»Gute Nacht.« Christian klang mürrisch. Er ging an ihnen vorbei und verschwand in dem Korridor, der zu der kleinen Hausmeisterwohnung führte.
Emma sah ihm sehnsüchtig hinterher. War er ihr nachgegangen?
»Kommen Sie, Ms. Fryer«, sagte Hoodle. »Hier können wir nicht in Ruhe reden.«
Er ging voraus, und sie folgte ihm. Ein wenig unbehaglich war ihr schon, als er sie in seine privaten vier Wände bat. Das Internat war weitgehend verwaist. Es standen genügend leerstehende Räume für ein Gespräch zur Verfügung.
Es gab einen zweiten Grund, weshalb sie sich unwohl fühlte. An den Wänden seines Wohnzimmers hingen ausgestopfte Tiere. Köpfe von
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