Die Mädchenakademie
Zeitungsverleger war, aber immer noch nicht, dass er ebenjene Magazine herausbrachte, die ungeniert über die Fauxpas ihrer Eltern berichteten.
Nachdem Oisin von dem Leichenfund erfahren hatte, wollte er sie sofort vom College nehmen, doch wie auch die anderen Schülerinnen hatte Emma sich dazu entschlossen, die wenigen Wochen bis zur Prüfung zu bleiben. Das Internat war zurzeit vielleicht sogar der sicherste Ort in ganz Großbritannien, so gut wie es von der Wiltshire Police bewacht wurde. Den Buckingham Palast natürlich ausgenommen.
Besorgt musterte sie Charlotte. Von allen Mädchen hatte sie der grausame Fund am meisten mitgenommen. Die Tränen von Megan, Holly und Lauren waren längst getrocknet, doch Charlies Gesicht war aufgequollen, weil sie immer wieder weinte. Am liebsten hätte Emma sie in den Arm genommen, aber Megan tröstete sie bereits, indem sie ihre Hand streichelte. Das war eine ganz neue Megan, die in dieser Krisensituation zum Vorschein kam. Charlie war schon immer sensibel gewesen, deshalb drohte sie an der Tatsache, dass Ruby alias Liv ermordet worden war, zu zerbrechen. Sie tat Emma unglaublich leid!
Die Befragung durch die Polizei musste eine Qual für sie gewesen sein. Christian hatte sie bei Emma durchgeführt, aber ausschließlich bei ihr. Die Lolitas wurden von anderen Polizisten befragt.
»Alle dachten, Ruby wäre mit irgendeinem Jungen durchgebrannt.« Gedankenversunken schaute Megan auf das Windlicht in der Mitte. »Dabei hat die Polizei uns nur glauben gemacht, dass sie den Fall nicht ernst nimmt. Aber sie hatte ihn gar nicht zu den Akten gelegt, sondern Christian Bailey auf uns angesetzt.«
»So ein Reinfall!« Lauren prustete. »Wir haben uns ganz schön zu Deppen gemacht, als wir ihn angebaggert haben.«
»Genau das wollte er doch«, warf Holly ein, lehnte sich zurück und stützte sich mit den Händen ab. »Er ist ein geschickter Bulle, denn er hat uns dazu gebracht, mit ihm Kontakt aufzunehmen, obwohl er es war, der uns auf den Zahn fühlen wollte. Die Antilope hat sich an den Löwen herangepirscht.«
Aufgebracht trat Megan gegen das Stuhlbein eines Schreibtisches, der schräg neben ihr stand. »Er hätte sein Versprechen nie eingelöst, eine heiße Nacht mit der Gewinnerin zu verbringen. Bailey war die ganze Zeit der einzige Mann, der unerreichbar für uns war.« Sie seufzte sehnsüchtig.
Emma schwieg. Trotz der frischen Luft, die durch die Fensterluke ins Dachgeschoss wehte, war ihr auf einmal heiß, weil die Erinnerungen an den Maskenball in ihr aufloderten. Die Lolitas hatten ihr beim Sex mit Christian zugeschaut und wussten es nicht einmal. Emma hatte nie erfahren, welchen Deal er mit Louis eingegangen war, aber der französische Gärtner hatte bis heute dichtgehalten. Nachdem er nun wusste, dass Christian ein Polizist war, würde er sein Schweigen erst recht nicht brechen. Durch die erotischen Rendezvous mit ihr hatte Christian riskiert aufzufliegen. Zeigte das nicht, dass ihm etwas an ihr lag?
»Macht euch keinen Kopf, Ladys«, versuchte Lauren ihre Freundinnen aufzumuntern. »Auch wenn er uns wegen Rubys Verschwinden ausspioniert hat, wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen.«
»Nein, haben wir nicht.« Geistesabwesend schüttelte Holly ihren Lockenkopf.
Charlotte zitterte, und Megan rieb ihre Finger zwischen ihren Händen, um sie zu wärmen.
Da die Lolitas noch bis in die frühen Morgenstunden ergebnislos darüber diskutiert hatten, ob sie den Wettstreit weiterführen oder beenden sollten, verschlief Emma am nächsten Morgen beinahe. Sie ging bei den Schlafräumen der Mädchen vorbei, aber ihre Zimmer waren abgeschlossen, also mussten sie schon beim Frühstück sitzen.
Emma rannte die Treppenstufen hinunter. Als sie im Erdgeschoss ankam, blieb sie stehen, um wieder zu Atem zu kommen. Plötzlich legte sich eine Hand von hinten auf ihren Mund. Jemand zerrte sie in die kleine Kammer, in der das Putzmaterial untergebracht war. Noch bevor Emma sich wehren konnte, wurde sie umgedreht und mit dem Rücken an die Wand gepresst – von Christian.
»Du hast mich zu Tode erschreckt!« Aufgebracht holte sie aus, um ihm eine Ohrfeige zu verpassen, doch er fing ihr Handgelenk ab, drückte es neben ihrem Kopf gegen die Wand und vergrub die Finger seiner freien Hand in ihrem Haar.
Blitzschnell neigte er sich vor und küsste sie so leidenschaftlich, dass ihre Wut augenblicklich verflog.
Niemand durfte erfahren, dass sie sich nahestanden. War dieses Versteckspiel
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