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Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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hinaus in den Flur und stellte es dort ab. Als er zurückkehrte, reichte er Sam einen Besen. »Willst du mir helfen?«
    Sam fegte Staub und Dreck in dem großen Raum zusammen. Obwohl es keine besondere Arbeit war, bereitete sie ihm Freude. Vor allem gefiel ihm, dass Ben ihm diese Aufgabe zutraute. Seine Mutter erteilte ihm nur selten Aufträge, weil er sie in ihren Augen zu langsam erledigte.
    »Schon fertig?«, fragte der Betreuer. »Cool, das ist toll.«
    Sam nickte stolz.
    »So, aber jetzt solltest du ab nach Hause.« Ben gab ihm einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. »Sonst muss dich deine Mutter auch noch suchen. Und das willst du doch nicht, oder?«
    Sam schüttelte den Kopf, verabschiedete sich und machte sich auf den Heimweg. Er hatte die Hälfte des Weges zurückgelegt, als ihm ein schrecklicher Gedanke kam.
    Natürlich komme ich zurück , hatte Lisa ihm versprochen. Aber zugleich hatte er ihr geschworen, niemandem von ihrem Freund in Berlin zu erzählen.
    Wenn er sein Versprechen brach, wieso sollte sie ihres halten?
    Wie aus weiter Entfernung drang eine Stimme an Lauras Ohr.
    »Laura, Liebes?«
    Sie blinzelte irritiert, ohne den Text auf dem PC -Monitor aus den Augen zu lassen.
    »Laura«, hörte sie Patrick aus ihrem Handy, »geht es dir gut?«
    »Ich ruf’ dich noch mal an«, sagte sie und legte auf.
    Auf dem Computerbildschirm stand:
    5. Juni, 19.21 Uhr: Hi Carmen, geht’s gut? Mir nicht. Mama und Papa haben heute wieder gestritten. Ich hasse das. Und Sam jammert auch nur rum. Wie der mich nervt.
    21. Juni, 21.58 Uhr: Du weißt ja, hab heute meine Mathe-Note gekriegt. Glatte 4. Fand Mama gar nicht toll. Hätte mich auch gewundert. Egal was ich mache, alles ist falsch.
    Laura unterbrach ihre Lektüre, als sie hörte, wie die Haustür ins Schloss fiel. Sie sprang auf und rannte zur Treppe. Sam kam ihr entgegen. Sie hatte nicht mitbekommen, dass er das Haus verlassen hatte. Hast du überhaupt eine Ahnung, was die Kinder den ganzen Tag über treiben?
    »Wo warst du?«, fragte sie.
    »Im Club.«
    »Denkst du an deine Hausaufgaben?«
    »Ist … Lisa wieder da?«
    Laura schluckte. »Noch nicht.« Rasch fügte sie hinzu: »Sie kommt bestimmt bald.«
    Aber die Worte klangen selbst in ihren Ohren falsch, und Sam schien das zu spüren. Er ließ den Kopf hängen und trottete in sein Zimmer.
    Laura kehrte zurück an den Computer ihrer Tochter.
    8. Juli, 17.19 Uhr: Tu dies, tu das. Ständig mault Mama nur rum. Ich kann’s nicht mehr hören. Ist deine Mutter auch so?
    11. Juli, 8.22 Uhr: Hi Carmen, hab ich’s nicht gesagt? Mama ist genervt, weil ich mich nicht um Sam kümmere. Der ist wie ein kleines Baby. Ich halte das hier echt nicht mehr lange aus. Bin froh, wenn wir uns gleich in der Schule sehen.
    Laura empfand Scham; sie hatte nicht bemerkt, wie unglücklich Lisa gewesen war. Sie versuchte, sich wieder auf die Skype-Botschaften zu konzentrieren.
    4. August, 18.11 Uhr: Hi Carmen, kaum bin ich daheim, meckert Mama. Sie meckert immer nur. Nie hört Mama mir mal zu. Ich will mich NICHT um Sam kümmern. Der ist doch alt genug! Sei froh, dass du keinen kleinen Bruder hast!
    17. August, 14.45 Uhr: Mama ist wieder sauer. Aber was heißt hier wieder? IMMER ! Als könnte ich was dafür! Weißt du was? Am liebsten würde ich abhauen.
    Die letzte Nachricht hatte Lisa erst drei Tage zuvor geschrieben.
    2. September, 21.14 Uhr: Weißt du was, Carmen? Vielleicht sollte ich es tun. Einfach nur abhauen. Ganz weit weg. Vorher noch einen Zettel schreiben. Ich bin dann mal weg. Mama würde sich wundern!

Kapitel 11
    »Hab keine Angst«, flüsterte eine Stimme an meinem Ohr. Ein Schaudern ergriff mich.
    Ich neigte den Kopf zur Seite. Im Dämmerlicht erkannte ich meinen Onkel. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, während seine Hand meinen Oberschenkel hinauf bis zum Schlüpfer kroch.
    »Das macht man, wenn man sich mag«, sagte mein Onkel.
    Nein , schrie eine Stimme in mir, das macht man nicht, nicht mit dem Onkel.
    »Nein«, flüsterte ich.
    »Aber du magst mich doch.«
    »Nein …«
    »Du magst mich nicht?«
    »Doch, aber …« Ich schluckte und hielt den Atem an. Ich wollte nicht, dass mich jemand hörte.
    Mein Onkel sagte: »Du freust dich doch, dass es deiner Mutter wieder bessergeht.«
    Ich glaubte zu ersticken.
    »Ihr könnt in eurem Haus wohnen bleiben.«
    Ich schnappte nach Luft.
    »Du musst dir auch keine Sorgen mehr um die Bäckerei machen. Die Bäckerei deines Vaters.«
    Ich zitterte am

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