Die Mädchenwiese
für ihren Körper tun, den sie schon viel zu lange vernachlässigte. Oder sie würde einfach in den Garten gehen, Unkraut jäten und Blumenbeete umgraben.
Das Handyklingeln riss sie aus ihren Gedanken.
Alex hielt den Blick auf den Fernseher gerichtet. Inzwischen war dort eine spindeldürre Fitnesstrainerin zu sehen.
»Schlimme Sache«, bemerkte Paul.
»Stimmt«, pflichtete Ben ihm bei, »sie ist nur Haut und Knochen.«
»Nein«, Paul zeigte ihm den Mittelfinger, »ich meinte die Theis.«
Ben nickte. »Ihr Vater war heute Mittag im Club und hat nach ihr gefragt.«
»Die Barhocker meinten, sie wäre von zu Hause ausgerissen«, sagte Alex.
Ben musterte ihn. »Höre ich da einen Unterton …«
»Ich glaube, die Sache ist ernster.«
»Wieso?«
Alex überlegte kurz. »Wenn sie nur abgehauen wäre, würde die Polizei keine Suchmeldung über Radio und Fernsehen veranlassen.«
Für einige Sekunden galt ihre Aufmerksamkeit wieder dem TV -Gerät. Die Fitnesstrainerin demonstrierte Übungseinheiten an einer Sit-up-Bank, währenddessen keuchte sie ihr Rezept für körperliches Wohlbefinden.
»Und was glaubst du, was los ist?«, erkundigte sich Paul.
»Was weiß ich.«
»Du denkst doch an was Bestimmtes, oder?«, fragte Ben.
Alex richtete sich auf. »Soll ich dir sagen, woran ich denke? An das Treffen mit Fielmeister’s morgen. Und daran, wie ich die Unternehmer verköstigen kann, nachdem letzte Nacht mein Gartenhaus verwüstet wurde.« Er griff in seine Gesäßtasche und zog den Brief hervor. »Von diesem blöden Schreiben ganz zu schweigen!«
Die Blicke seiner beiden Freunde waren erwartungsvoll auf ihn gerichtet. Sogar Gizmo spitzte die Ohren.
»Ich hab’ versucht anzurufen, okay? Sieben- oder achtmal sogar, aber dann … Ich konnte die Nummer nicht wählen. Ich schaff’s einfach nicht. Noch nicht.«
Gizmo gähnte. Sein Kopf verschwand zwischen den Kissen in seinem Korb.
»Ich kann es immer noch nicht fassen, dass meine Eltern nicht das waren, was sie ihr Leben lang vorgegeben haben. Es ist einfach … verrückt . Ich glaube, erst wenn ich es richtig verinnerlicht habe, begriffen und akzeptiert, kann ich mich dem Rest stellen. Seid ihr jetzt zufrieden?«
Er nahm den Brief, ging damit zu dem alten Sekretär und legte ihn in die oberste Schublade. Dann schloss er diese mit einem Ruck.
Laura ließ enttäuscht das Handy sinken. Ihre Schwägerin sah sie fragend an. »Wer ist es?«
»Rolf.«
»Soll ich mit ihm reden?«
»Ist schon okay.« Laura nahm das Gespräch entgegen.
»Ich dachte, Lisa ist abgehauen«, meldete sich ihr Mann.
»Ja.« Nur abgehauen. Sonst nichts! , setzte sie in Gedanken hinzu.
»Warum dann die Sache mit der Polizei und dem Fernsehen?«
»Weil ich mir Sorgen mache.«
»Hat sich denn schon jemand gemeldet?«
»Frank informiert mich, sobald es Hinweise gibt.«
»Also wissen wir rein gar nichts.« Rolfs Stimme klang brüchig.
»Frank wird jeden Augenblick aus Berlin zurückkehren.«
»Sollen wir auch vorbeikommen?«
»Nein!«
»Aber wenn du Hilfe brauchst …«
»Ich melde mich, sobald ich etwas weiß«, unterbrach ihn Laura und beendete das Gespräch. Ihr wurde bewusst, dass sie sich zum ersten Mal seit langer Zeit halbwegs normal mit ihrem Mann unterhalten hatte. Ohne gegenseitige Vorwürfe. Ohne Streit. Und dafür musste erst unsere Tochter verschwinden! , schoss es ihr durch den Kopf.
Der Bewegungsmelder ließ das Außenlicht anspringen. Kurz darauf kam Frank zur Hintertür herein, jetzt in Jeans und dunkelbraunem Sakko, das an den Schultern spannte. Er nahm Laura in den Arm. Sie schmiegte sich an seine Schulter. Es tat ihr gut, sich fallen zu lassen und durchzuatmen.
Sofort hatte sie ein schlechtes Gewissen. Du darfst dich nicht hängenlassen ! Sie eilte zur Couch, entzündete die letzte Zigarette und sah ihren Schwager an. »Und?«
»Die Suchmeldung ist gerade erst ausgestrahlt worden«, erwiderte ihr Schwager. »Du musst Geduld haben.«
Geduld? Laura lächelte gequält. »Hast du versucht, ihr Handy zu orten?«
»Ja, es ist ausgeschaltet.«
»Und die Anruferliste?«
»Hab’ ich von ihrem Telefonanbieter erhalten. Aber da sind nur die Nummern ihrer Freunde, dein Anschluss und der von Rolf. Sie scheint mit ihrem Freund wirklich auf Nummer Sicher gegangen zu sein.«
Die Türklingel ließ Laura hochschrecken.
»Ich mach’ schon«, sagte Frank.
»Nein!« Laura sprang auf. »Ich gehe!«
Alex schaltete den Fernseher aus. Er legte die Nirvana- CD in die
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