Die Mädchenwiese
Stereoanlage. Als die ersten Takte von Something In The Way erklangen, ging er zurück zur Couch.
»Glaubst du, bei dem Treffen mit Fielmeister’s geht morgen trotzdem alles in Ordnung?«, fragte Ben.
Dankbar für den Themenwechsel, sank Alex aufs Sofa. »Ich denke schon.«
»Wenn’s nicht klappt, wär’s schade drum«, sagte sein Freund. »Auch um den Jugendclub. Eine Renovierung wäre dringend nötig, außerdem bräuchte ich einen zweiten PC für die Kids. Auch eine Playstation wäre schön.«
»Als wenn die Welt ohne diesen Mist unterginge«, murrte Paul. »Wir haben das früher auch nicht gebraucht.«
»Zeiten ändern sich«, sagte Ben. »Heute gehören Facebook, Twitter und …«
»Nicht die Zeiten, die Leute! Schaut euch doch nur meine Frau an, die …«
»Ach nee, Paul, nicht schon wieder!«
»Hey, Mann, um sie geht es doch gar nicht.« Paul wackelte mit dem Kopf. »Na ja, ein bisschen schon. Denn wenn sie meinem Sohn nicht ständig diesen Mist …«
»Paul!«
»Ist ja schon gut. Worauf ich hinauswill: Früher hätte es so was nicht gegeben. Unsere Eltern haben uns gelehrt, wie wir uns mit uns selbst beschäftigen.«
»Klar!« Ben lachte. »Wir haben uns in den Wald verdrückt, mit den Mädels geknutscht, geraucht, gesoffen …«
»… gekifft«, sagte Alex lächelnd. »Also nicht anders als die Kids heute.«
»Selbstverständlich ist das bei den Kids heute anders!« Paul schlug mit der Hand auf den Tisch. Als Gizmo leise knurrte, dämpfte Paul seine Stimme. »Wann habt ihr die Kids denn zum letzten Mal im Wald erlebt? So wie wir damals in unserer Butze …«
»Erinner mich nicht an die Räucherhöhle«, murrte Ben.
»… Abenteurer spielen«, fuhr Paul fort, »oder auf dem Bolzplatz kicken?«
»Es gibt keinen Bolzplatz in Finkenwerda«, wandte Alex ein.
»Weil die Kids lieber vor der Glotze, dem PC oder der Playstation hängen, deswegen! Und deshalb wissen sie nichts mit sich selber anzufangen. Oder kommen auf dumme Gedanken. So wie bei deinem Garten.«
»Deshalb gibt es den Jugendclub«, sagte Ben.
Jetzt lachte Paul. »Tja, der muss der kleinen Theis ja einen Heidenspaß bereitet haben, oder warum hat sie das Weite gesucht?«
»Weißt du was?« Ben erhob sich vom Sofa. »Manchmal bist du einfach unausstehlich.« Ohne sich noch einmal umzusehen, stieg er die Treppe hinunter. »Mir reicht’s. Gute Nacht.«
Alex begleitete seine Freunde zur Tür. Er hörte, wie sie sich auf der Straße noch gegenseitig beschimpften, bevor jeder in sein Auto stieg und den Motor anließ. Reifen holperten über das Straßenpflaster davon. Dann erfasste Stille das Dorf. Irgendwo miaute eine Katze. Gizmo spitzte die Ohren. Das Plätschern des Brunnens auf dem Dorfplatz vermischte sich mit dem fernen Klang einer Polizeisirene.
Alex ging noch einmal mit dem Hund vor die Tür. Die Temperatur war gefallen. Der Mond hing als Scheibe in einem dunklen Meer weißer Punkte. Gizmo knurrte.
»Was ist?«
Der Retriever bellte alarmiert. Aber Alex sah nur ein paar Jugendliche, die auf der Parkbank am Brunnen mit ihren Handys spielten.
Alex ging weiter. In den meisten Häusern brannte Licht. Hinter den Fenstern war der bläuliche Widerschein eingeschalteter Fernseher zu erkennen. Gizmo schloss zu Alex auf und sah ihn mit großen Augen an.
»Wenn noch Licht brennt, klingel’ ich«, erklärte Alex. »Und wenn nicht …«
Es waren nur noch wenige Meter bis zu dem Haus. Die Zimmer waren erleuchtet.
»Frau Theis.« Der Mann vor Lauras Tür räusperte sich verlegen. »Entschuldigen Sie die späte Störung.«
Laura brauchte einen Moment, bis ihr sein Name wieder einfiel. Lindner. Alex Lindner. Ihr wurde bewusst, dass sie ihm heute Morgen über den Weg gelaufen war, wenige Minuten bevor der Anruf von Lisas Lehrerin sie erreicht hatte.
»Das mit Ihrer Tochter, das tut mir leid«, sagte er, »bitte, verstehen Sie mich nicht falsch …« Er brach ab, schien nach den richtigen Worten zu suchen.
Eine Windböe trug Alkoholdunst in den Hausflur. Laura fragte: »Was wollen Sie?«
»Ich wollte fragen, ob Sie …«
»Wer sind Sie?« Frank zwängte sich an Laura vorbei.
»Ich heiße Lindner. Ich wohne drüben.« Er wies hinüber zur alten Kneipe. »Über der Elster .«
»Ach so, ja.« Frank rümpfte die Nase. »Bin kein großer Kneipengänger. Was führt Sie zu uns?«
»Ihm gehört die Gaststätte«, sagte Laura. Sie spürte einen Anflug von Hoffnung, denn erst kürzlich hatte sie Lisa und einige ihrer Freunde vor der
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